Geliebte Fälscherin (German Edition)
hatte jedoch mit äußerster Knappheit geantwortet. Die Nachricht, die in tadelloser Handschrift auf feinem Leinenpapier geschrieben war, lautete lediglich: „Lieber Pastor Bunting, ich komme Ihrer Bitte gern nach. Ich erwarte Sie um halb fünf. Herzliche Grüße, Mrs Adelicia Franklin Acklen.“
Adelicia Franklin Acklen. Ein sehr vornehm klingender Name.
Mrs Acklen war eine Witwe – eine sehr reiche Witwe, wie die Buntings ihr erklärt hatten – mit vier Kindern im Alter zwischen sechs und sechzehn Jahren. Nach dem Frühstück hatte Mrs Bunting ihr die Zeitung vom Vortag gezeigt, in der die Ausschreibung für diese Stelle gestanden hatte.
Claire zog den Zeitungsausschnitt aus ihrer Rocktasche und überflog noch einmal die gewünschten Qualifikationen. Sie überlegte, welche Fragen bei dem Vorstellungsgespräch wohl gestellt würden, und ging noch einmal im Geiste durch, was sie sagen wollte.
Die Stellenausschreibung hatte nicht auf der Seite bei den anderen Annoncen gestanden, in denen Verkäufer, Gehilfen und Sekretärinnen gesucht wurden, sondern sie hatte einen eigenen Abschnitt eingenommen. Die Beschreibung war auch nicht so knapp formuliert gewesen wie die anderen. Offenbar hatte Mrs Adelicia Franklin Acklen keine Probleme, eine Anzeige mit so vielen Wörtern zu zahlen.
Die Bezeichnung der Stelle entlockte Claire ein Lächeln. Die Liste mit den geforderten Qualifikationen jagte ihr jedoch eine gewisse Angst ein.
Privatsekretärin für Mrs Adelicia Franklin Acklen
Gesucht: Junge Frau von untadeligem Charakter und angenehmem Auftreten, die vorbildliche Fertigkeiten in Korrespondenz, Buchhaltung und bei der Koordination von gesellschaftlichen Veranstaltungen besitzt. Sie muss gründlich und sorgfältig sein sowie Initiative und Reife besitzen. Eine fließende Beherrschung sowohl der englischen als auch der französischen Sprache wird vorausgesetzt. Lebenslauf und Referenzen sind vor einem möglichen Vorstellungsgespräch auf Belmont einzureichen.
„Ich weiß, was Sie denken“, flüsterte Mrs Bunting mit einem Blick auf den Zeitungsausschnitt. „Gibt es auf der ganzen Welt überhaupt eine Frau, die so hohe Erwartungen erfüllen kann?“
Claire faltete die Zeitungsseite zusammen und steckte sie in ihre Tasche zurück. Ihr Selbstvertrauen schwand. „Ja, Madam. Genau das habe ich gedacht.“ Wie in aller Welt kam sie darauf, sich für eine solche Stelle zu bewerben? Sie war gründlich und sprach fließend französisch. Das war nicht das Problem. Der fordernde Tonfall der Anzeige bereitete ihr Kopfzerbrechen. Zwischen den Zeilen standen so hohe Erwartungen. Sie berührte den Spitzensaum ihrer geborgten Jacke und wünschte, sie wüsste vor dem Vorstellungsgespräch mehr über diese Mrs Acklen. Aber noch bevor sie diesen Gedanken in Worte fassen und entsprechende Fragen stellen konnte, ließ Pastor Bunting die Pferde langsamer traben, bog in eine Seitenstraße ein und lenkte den Einspänner zwischen massiven Säulen aus gemeißeltem Kalkstein in eine lange Einfahrt.
Claire beugte sich vor und betrachtete sprachlos den Reichtum der Landschaft und die unbeschreibliche Schönheit, die sich vor ihr ausbreitete.
In jede nur vorstellbare Grünschattierung und in sonnengetränktes Gelb getaucht, sah das Bild eher aus, als gehöre es auf eine Leinwand und nicht in die Realität. Aber das Herrenhaus in der Ferne, das sich in einem üppigen, malvenfarbenen Glanz auf dem Hügel erhob, faszinierte sie am meisten.
Pastor Bunting schmunzelte, genauso wie seine Frau, leise neben ihr. „Willkommen auf Belmont , Miss Laurent. Dem Wohnsitz von Mrs Adelicia Acklen.“
9
H übsch beschrieb nicht annähernd die Ausstrahlung von Belmont. Atemberaubend kam der Sache schon näher, war aber auch noch unzureichend. Der Einspänner rollte über den von Bäumen gesäumten Weg, vorbei an einem Kutschhaus und an mehreren Ställen, und wieder bemerkte Claire die Überreste von gefällten alten Eichen und Kiefern, deren ausgebrannte Baumstümpfe Zeugen von ausgetragenen Schlachten waren.
Claire erblickte ein Reh, besser gesagt einen Hirsch, im Schatten einer Kiefer. Aber es war kein gewöhnlicher Hirsch.
Die Statue war aus Gusseisen gemacht und gab die majestätische Haltung dieser Tiere gut wieder. Das Tier stand aufmerksam da, hatte den Kopf mit dem Geweih zum Himmel gehoben und schnupperte für immer den Geruch des Windes. Claire war entzückt, als andere Tiere auftauchten – Hunde, Löwen und verschiedenes Wild. Sie waren
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