Geliebte Fälscherin (German Edition)
Dabei beobachtete sie die anderen Passanten und betete, dass ihr keiner von ihnen bekannt vorkäme. Als sie die Kutsche erreichte, wartete Armstead schon auf sie.
„Haben Sie bekommen, was Sie brauchten, Miss Laurent?“
„Nein“, sagte sie nach kurzem Zögern. „Das habe ich nicht. Aber das macht nichts.“ Sie ließ sich von ihm in die Kutsche helfen und lehnte sich auf dem weichen Platz zurück. Von allem, was sie von ihrer Mutter bekommen hatte, war das Medaillon das Wertvollste.
Sobald ihr dieser Gedanke kam, wusste Claire, dass das nicht stimmte. Sie hatte immer noch die zwei kostbarsten Geschenke ihrer Mutter. Das eine war tief in ihrem Herzen verwahrt: die Liebe einer Mutter. Und das zweite – sie krümmte die Finger, als hielte sie einen Pinsel – war auch sicher verwahrt und konnte ihr von niemandem genommen werden.
Als die Kutsche schaukelnd anfuhr, hielt sie sich an der Seite der Tür fest. Sie nahm an, dass ihre Koffer schon geliefert worden waren und Antoine sie irgendwo aufbewahrte. Aber der Verlust ihrer Sachen in diesen Koffern war ähnlich wie der Verlust des Medaillons ihrer Mutter erträglich im Vergleich zu der Möglichkeit, sich ein neues Leben aufzubauen.
Was sie verlieren würde, falls Antoine je herausfände, wo sie war, oder wenn Mrs Acklen oder Sutton je von ihrer Vergangenheit erfuhren, stand in keinem Verhältnis zu diesen Sachen.
Sie hätte sich nie erträumen können, dass sie eines Tages in einem Haus wie Belmont wohnen würde. Und sie hoffte, Belmont wäre der allerletzte Ort, an dem Antoine DePaul nach ihr suchen würde. Früher oder später würde er die Suche aufgeben und sie vergessen. Genauso wie sie fest entschlossen war, ihn zu vergessen und nach vorne zu blicken.
Als die Kutsche um die Ecke bog, fiel Claires Blick noch einmal auf den älteren Herrn, den sie im Laden gesehen hatte, da sein Hut deutlich aus der Masse herausragte. Er stieg gerade die Treppe zu einem großen Ziegelgebäude hinauf. Sie las den Namen auf dem Messingschild, das rechts neben der doppelten Kirschholztür hing:
Anwaltskanzlei Holbrook und Wickliffe.
Sie schaute zu dem Mann zurück und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass er in die Richtung schaute, in der die Kutsche fuhr. Er hob eine Hand, als wolle er ihr winken. Unsicher, ob er sie anschaute oder nicht, hob sie als Antwort die Hand, und er lächelte.
* * *
Am nächsten Morgen wachte Claire vor Sonnenaufgang auf. Sie war immer noch müde, konnte aber nicht mehr schlafen. Sie war in der Nacht mehrere Male aufgewacht und hatte sich Sorgen wegen Antoine gemacht. Die Angst hatte sie wach gehalten, dass er sie irgendwie finden würde. Doch jedes Mal hatte sie sich damit getröstet, dass Nashville einfach zu groß sei. Unter den fünfundzwanzigtausend Bewohnern der Stadt würde er sie bestimmt nicht finden. Trotzdem würde sie, wenn sie in Zukunft in die Stadt ging, besonders vorsichtig sein und alles tun, um diese Ausflüge auf ein Minimum zu beschränken.
Sie gähnte und streckte sich, da ihr davor graute, die Wärme ihres Betts zu verlassen. Sie hatte Mrs Acklen gestern Abend nach dem Essen versprochen, dass sie ihr nach der Beantwortung eines Stapels von Briefen heute Nachmittag den umfassenden Plan für die Feier präsentieren würde. Der Beutel mit den Mustern für Gastgeschenke stand auf der anderen Seite des Zimmers in einer Ecke, und sie war zuversichtlich, dass Mrs Acklen damit einverstanden wäre, besonders mit den kleinen Besonderheiten, die sie noch hinzufügen wollte.
Claire atmete tief durch. Bis jetzt hatte sie immer noch keine zündende Idee für eine Aktivität, die die Familie Acklen noch nicht in irgendeinem fremden Land auf der anderen Seite der Erde unternommen hatte. „Wir sind in einem Ballon über die Stadt gefahren. Und wir waren nicht angebunden.“
Bei der Erinnerung an Williams Bemerkung und an ein kurzes Gespräch mit ihm gestern Nachmittag, das ihr nicht im Geringsten weitergeholfen hatte, verdrehte sie die Augen.
Der Junge hatte nur gesagt, dass er eine Erwachsenenfeier wolle, bei der wirklich etwas passierte. Das hatte er mit einer solchen Aufrichtigkeit gesagt, dass sie ihm seine hochnäsige Haltung, die er vorher an den Tag gelegt hatte, fast vergeben hätte. Fast.
Wie musste es sein, in einer solchen Umgebung aufzuwachsen? Nie etwas anderes als Eleganz und Überfluss kennenzulernen? Sie fürchtete, dass das Leben für den jungen William Enttäuschungen bereithalten musste. Genauso wie für sie,
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