Geliebte Fälscherin (German Edition)
Spuren des heranrückenden Herbstes auszumachen, kleine Farbtupfer, die die Natur versteckt hatte. Da sie es in den letzten Tagen vermisst hatte, spazieren zu gehen, genoss sie das Sonnenlicht, das zwischen den Bäumen durchdrang, und den blauen Himmel und sehnte sich nach einer unberührten Leinwand, Pinsel und einer Palette, um das alles einzufangen.
Während Claire spazieren ging, dachte sie an die Ereignisse, die sie nach Belmont geführt hatten. Sosehr sie es auch versuchte, konnte sie nicht anders, als einen Plan dahinter zu sehen. „Alles passiert aus einem Grund, Claire.“ Sie konnte die Stimme ihrer Mutter deutlich hören. Sie hätte nicht sagen können, wie oft ihre Mutter diesen Satz zu ihr gesagt hatte. Rückblickend fragte sie sich, ob ihre Mutter das gesagt hatte, um Claire Mut zu machen, oder um sich selbst davon zu überzeugen.
Das leise, langgezogene Gurren einer Trauertaube drang von der anderen Seite des Hügels zu ihr herüber, und Claire schaute zum wolkenlosen Himmel hinauf. Ihr war lange nicht bewusst gewesen, wie traurig sie sich innerlich fühlte. Erst als sie New Orleans verlassen hatte und in Nashville angekommen war, hatte sie das gemerkt. Sie war nicht nur einsam und allein, sondern auch niedergedrückt. Das ergab aber überhaupt keinen Sinn. Wie konnte sie sich so leer und gleichzeitig von Schuldgefühlen so niederdrückt fühlen?
Sie sagte sich, dass es nicht ihre Schuld sei. Sie hatte diese Bilder nicht fälschen wollen. Aber sie hatte es getan. Und ihr war bewusst, dass sie es wieder tun würde, wenn sie damit Geld für die Medikamente ihrer Mutter beschaffen könnte. Wenn dadurch die Hoffnung bestünde, dass ihre Maman noch am Leben wäre.
Sie konnte sich kaum vorstellen, wie ihre Mutter mit derselben schweren Schuldenlast so lange gelebt hatte. Die Schuldgefühle, die ihre Mutter mit sich herumgetragen hatte, waren an dem Tag, bevor sie starb, sehr deutlich gewesen.
Claire sank auf einen flachen, mit Flechten überzogenen Felsen und zog die Beine an ihre Brust heran. Sie konnte ihre Mutter immer noch ganz deutlich im Bett liegen sehen.
„Wasser“, hatte ihre Mutter geflüstert. In Claire regten sich verschiedene Gefühle, als die Erinnerungen sich entfalteten und sie zurück zu diesen letzten Stunden führten, die sie mit ihrer Mutter verbracht hatte. Claire hatte die Tasse mit Wasser gefüllt und sie ihr an die Lippen gehalten. Aber ihre Mutter schüttelte den Kopf. Also tauchte Claire ein frisches Tuch in die kühle Flüssigkeit und betupfte ihre fieberheiße Stirn und ihr glühendes Gesicht. Aber ihre Mutter wehrte sich erneut, und ihr kamen die Tränen. Es brach Claire das Herz, sie weinen zu sehen. Ihre Mutter weinte nie. Und als Claire ihr das Wasser wieder an den Mund hielt, hatte ihre Mutter etwas geflüstert, das sie nicht verstanden hatte.
„Gieß es über mich“, hatte sie gebeten. Claire hatte sie angeschaut und geglaubt, sie hätte sie falsch verstanden. Sie hatte gedacht, das Schmerzmittel habe den Verstand ihrer Mutter getrübt. Aber ihre Mutter hatte genau gewusst, was sie sagte, selbst wenn Claire es damals nicht verstanden hatte. Und so hatte Claire genau das getan, was ihre Mutter von ihr gewollt hatte. Tasse für Tasse hatte sie das Wasser über den schwachen Körper ihrer Mutter gegossen, bis die Matratze durchnässt war und ihre Mutter geweint hatte. Aber dieses Mal waren es Tränen der Zufriedenheit gewesen und nicht der Trauer und Wut. „Merci beaucoup, mon amour“, hatte Maman geflüstert. Ein tiefer Friede hatte die Spuren der Schmerzen und der Krankheit aus ihrem Gesicht vertrieben.
Ein Friede, den Claire selbst noch nie erlebt hatte, nach dem sie sich aber von ganzem Herzen sehnte.
Claire wischte sich über die Wangen und schaute sich um. Die Wiese war leer, und von der Stelle, an der sie saß, konnte sie kaum die Giebel des Hauses sehen. Sie war allein. Sie erinnerte sich, wie direkt und ehrlich Suttons Gebet gewesen war, und wollte ihre Bitte genauso vor Gott bringen, als säße er direkt neben ihr. Aber die Worte, die ihr in den Sinn kamen, wirkten gezwungen.
Nein, mehr als das. Sie wirkten, als wolle sie jemanden zwingen. Als versuche sie, mit Gott zu verhandeln, als versuche sie, ihn zu überreden, dass sie seiner Zeit und Aufmerksamkeit wert sei, obwohl sie in Wirklichkeit tief in ihrem Herzen wusste, dass das Gegenteil der Fall war. Weil sie wusste, wer sie war. Eine Betrügerin. Eine Fälscherin. Nicht gut genug. Und sie dachte
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