Geliebte Feindin
diesmal verteidigen, statt selbst anzugreifen. Das ist etwas ganz Neues für die Crew.« Sara verstand nicht, was er meinte, aber Nora lächelte wissend.
»Was hatte diese Bemerkung zu bedeuten, Nora?« fragte sie.
Nora war kurz davor, Sara über den Sachverhalt aufzuklären, überlegte es sich aber dann doch anders. Sara war ein so unschuldiges Kind und sah alles entweder als nur gut oder als nur böse an. Irgendwann würde auch sie einmal begreifen, daß das Leben nicht so einfach war, dann war sie vielleicht in der Lage zu akzeptieren, daß Nathan mehr war, als er im Moment zu sein schien. Nora hoffte inständig, daß sie Sara beistehen konnte, wenn sie erfuhr, daß sie mit Pagan verheiratet war.
»Ich vermute, daß die Besatzung rücksichtsloser kämpfen würde, wenn wir nicht an Bord wären«, sagte Nora.
»Aber das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, rief Sara.
Das wußte Nora auch, aber sie wollte nicht weiter darüber sprechen. »Wird hier die Munition aufbewahrt?« fragte sie.
»Ich glaube schon. Ob die Fässer wohl mit Pulver gefüllt sind?«
»Vermutlich«, meinte Nora. »Wir müssen auf die Kerze aufpassen. Wenn hier ein Feuer ausbricht.. wir müssen daran denken, sie auszublasen, wenn Matthew uns wieder abholt.«
Plötzlich lief ein Ruck durch das Schiff, als ob es auf einen Felsen aufgefahren wäre. »Glaubst du, daß sie uns getroffen haben?« flüsterte Sara.
»Es scheint so.«
»Nathan sollte diese Angelegenheit lieber schnell beenden. Meine Nerven halten eine solche Aufregung nicht mehr aus. Nora, du bist Matthew in den letzten Tagen ziemlich nahegekommen, stimmt’s?«
Nora kicherte. »Du hast wirklich die günstigste Zeit gewählt, um mich das zu fragen.«
»Ich wollte dich nur ein wenig ablenken«, verteidigte sich Sara.
»Das scheint mir eine gute Idee zu sein. Du hast recht, Sara, Matthew und ich sind Freunde geworden. Er ist ein sehr verständnisvoller und freundlicher Mann. Ich hatte schon ganz vergessen, was für eine Erleichterung es ist, wenn man seine Gedanken und Sorgen einem fürsorglichen Menschen anvertrauen kann.«
»Ich bin auch fürsorglich, Tante Nora.«
»Ja, Liebes, das weiß ich, aber das ist nicht dasselbe. Du wirst verstehen, was ich meine, wenn du Nathan besser kennengelernt hast.«
»Ich fürchte, das wird nie geschehen«, seufzte Sara. »Vertraut dir Matthew auch seine Gedanken an?«
»Oja, oft.«
»Spricht er mit dir über Nathan?«
»Manchmal, aber ich habe versprochen, nicht darüber zu reden.«
»Aber das mußt du«, protestierte Sara. »Ich bin deine Nichte, und alles, was du erfahren hast, könnte mir ein wenig weiterhelfen. Du vertraust mir doch, Nora?«
Nora überlegte lange, bevor sie sagte: »Matthew hat mir alles über Nathans Vater erzählt. Bist du dem Earl of Wakersfield je begegnet, Sara?«
Sara schüttelte den Kopf. »Es heißt, daß er gestorben ist, als Nathan noch ein Junge war. Ich habe gehört, daß er ziemlich streitsüchtig war.«
»Ja, das war er, und er war ein Verräter. Er hat sein Land betrogen. Ja, das ist die Wahrheit«, versicherte Nora, als Sara zu einer Erwiderung ansetzen wollte. »Es ist eine schreckliche Geschichte, Kind. Er hat mit anderen Verrätern gemeinsame Sache gemacht, und sie dachten, sie könnten die Regierung stürzen. Die drei Männer nannten sich selbst Tribunal, und sie trieben ziemlich lange ihr Unwesen. Nach einiger Zeit wurde sich Nathans Vater klar, was er angerichtet hatte, und sein schlechtes Gewissen hat ihn umgebracht, bevor die Wahrheit ans Tageslicht kam.«
Sara war fassungslos. »Armer Nathan, er muß sich entsetzlich geschämt haben.«
»O nein«, meinte Nora. »Offiziell wurde erklärt, daß der Earl bei einem Unfall mit der Kutsche ums Leben gekommen ist, und seine Machenschaften wurden geheimgehalten. Ich erzähle dir das nur, weil deine Familie davon erfahren und deine Ehe deshalb für ungültig erklären lassen könnte.«
»Oh, dafür ist es zu spät.«
»Sara, wenn du das glaubst, bist du wirklich naiv. Die Umstände, unter denen deine Ehe zustande gekommen ist, sind sehr ungewöhnlich, und der König …«
»… war verrückt«, ergänzte Sara leise.
»Und du warst gerade erst vier Jahre alt«, fügte Nora hinzu.
»Aber jetzt leben wir als Mann und Frau zusammen, und ich kann mir nicht vorstellen, daß es der Prinzregent wagen würde …«
»Er kann tun, was immer er will«, warf Nora ein.
»Nora, du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen. Ich werde bestimmt
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