Geliebte Feindin
Feigling.«
»Was hast du da gesagt?«
Nathan hatte den Raum lautlos betreten, und Sara zuckte zusammen, als seine Stimme ertönte. Sie drehte sich um und versuchte, die linke Seite ihres Gesichts mit ihrem Haar zu verdecken.
Tränen füllten ihre Augen. Sie beugte den Kopf, damit Nathan sie nicht sehen konnte, und ging zum Bett. »Ich muß ein wenig schlafen«, hauchte sie mit erstickter Stimme. »Ich bin sehr erschöpft.«
Nathan verstellte ihr den Weg. »Laß mich deine Wange sehen«, befahl er.
Sara hielt den Kopf gesenkt, und alles, was er zu Gesicht bekam, war ihr Scheitel. Er spürte, daß sie zitterte. »Hast du Schmerzen, Sara?« fragte er behutsam.
Sara schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.
»Warum weinst du dann?«
Mit bebender Stimme erwiderte sie: »Ich weine ja gar nicht.«
Nathan war sehr beunruhigt. Er schlang die Arme um sie und zog sie an sich. Was, zum Teufel, ging jetzt wieder in ihrem Kopf vor? Sara war immer so offen und durchschaubar gewesen, und sie hatte ihn stets wissen lassen, was sie dachte. Sobald sie ein Problem beschäftigt hatte, hatte sie drauflos geplappert und ihm keine Ruhe gelassen, bis er ganz genau gewußt hatte, was ihr durch den Kopf ging. Verdammt noch mal, er würde auch jetzt herausbekommen, was mit ihr los war.
»Ich möchte mich ausruhen, Nathan«, murmelte sie.
»Du wirst mir erst erzählen, was dich quält«, forderte er.
Sie brach in Tränen aus und warf sich an seine Brust.
»Du weinst also nicht?« fragte er erbittert.
Sie nickte. »Jade hat nie geweint«, schluchzte sie.
»Was hast du gesagt?«
Sie wiederholte es nicht, sondern versuchte statt dessen, von ihm wegzukommen. Nathan ließ das nicht zu. Er hielt sie mit einem Arm fest und hob ihr Kinn an. Dann strich er ihr sanft das Haar aus dem Gesicht.
Seine Miene verzog sich in mörderischer Wut, als er die dunkle verfärbte Schwellung auf ihrer Wange sah. »Ich hätte den Bastard umbringen sollen«, brummte er.
»Ich bin ein Feigling«, brach es aus Sara hervor, und als sie seinen ungläubigen Blick wahrnahm, nickte sie heftig. »Es ist wahr, Nathan. Ich habe es bis heute nicht gemerkt, aber jetzt weiß ich über mich Bescheid. Ich bin überhaupt nicht wie Jade; die Männer haben recht, ich kann ihr nicht das Wasser reichen.«
Er war so fassungslos über dieses seltsame Bekenntnis, daß er gar nicht merkte, wie sie sich aus seinem Griff befreite. Sie lief zum Bett, setzte sich auf die Kante und starrte auf ihren Schoß.
Diese Frau würde er in seinem ganzen Leben nicht verstehen, dachte Nathan kopfschüttelnd.
Sara zog wieder ein paar Haarsträhnen über ihre linke Wange – sie schämte sich so sehr wegen des blauen Flecks, aber das war nicht ihr einziger Kummer. »Ich bin nicht nur ein Feigling, Nathan. Ich bin auch noch häßlich. Jade hat grüne Augen, und die Männer sagen, daß ihr Haar rot wie Feuer ist. Jimbo meint, daß sie wunderschön ist.«
»Warum zum Teufel sprichst du dauernd von meiner Schwester?« fragte Nathan und bereute augenblicklich seinen barschen Ton. Eigentlich wollte er Sara beruhigen und sie nicht noch mehr in Verwirrung stürzen, deshalb fügte er sanfter hinzu: »Du bist kein Feigling.«
Sie bedachte ihn mit einem düsteren Blick. »Warum zittern dann meine Hände und weshalb fühle ich mich so elend? Ich habe sogar jetzt noch Angst, und ich kann an gar nichts anderes mehr denken als daran, was dir alles hätte zustoßen können.«
»Was hätte mir denn zustoßen können?« erkundigte er sich erstaunt. »Sara, du warst doch in größerer Gefahr.«
»Du hättest ums Leben kommen können«, antwortete sie, als ob sie seine letzten Worte nicht verstanden hätte.
»Aber ich bin doch nicht tot.«
Sie fing wieder an zu schluchzen, und er seufzte erschöpft. Diese Angelegenheit würde mehr Zeit in Anspruch nehmen, dachte er. Sara brauchte offensichtlich mehr als nur eine kurze Antwort. Sie brauchte seine Nähe.
Und er brauchte ihre Nähe ebenso. Nathan zog sich aus, aber als er seine Hose aufknöpfte, hielt er plötzlich inne. Wenn er Sara jetzt zeigte, was er sich am meisten wünschte, würde ihr Problem ungelöst bleiben.
Sara stand auf, als Nathan sich setzte. Sie beobachtete, wie Nathan es sich gemütlich machte. Er lehnte den Oberkörper an die Wand am Kopfende des Bettes und streckte ein Bein aus, während er das andere abwinkelte. Er nahm ihre Hand und zog sie auf seinen Schoß. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt und legte den Kopf an seine Schulter,
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