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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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verloren. Vielleicht war er ihr auch ausgeschlagen worden.
    „Guten Abend, Mylord“, rief sie fröhlich. Sie nahm ganz richtig an, dass Harry wohl von Adel sein musste, da er sich aus dem Fenster des Clubs lehnte. Ihre geflickten Röcke fegten über das Pflaster, als sie jetzt einen Knicks machte. „Ist das da neben Ihnen vielleicht Ihr Freund, der so einen ausgezeichneten Musikgeschmack hat?“
    Eifrig drängte Walter sich neben Harry. „Ich bin dieser Freund, meine Süße“, verkündete er. „Würdest du uns die Freude machen und dein Lieblingslied singen?“
    Das Mädchen legte den Kopf zur Seite. „Umsonst tu ich’s nicht, Mylord.“
    „Ob ich gewinne oder verliere, du bekommst die Guinea, um die ich gewettet habe“, erwiderte Harry. Und sah, dass das Mädchen ehrfurchtsvoll große Augen machte. Wahrscheinlich war eine Guinea mehr, als sie in einem ganzen Monat mit ihren Liedern verdiente. „Aber du musst singen, damit wir uns ein Urteil bilden können.“
    „In Ordnung, Mylord. Mach ich.“ Sie nickte und räusperte sich etwas befangen. „‚Die traurige Geschichte des Straßenräubers Dick Turpin, wenn’s Ihnen recht ist, Mylord.“
    Sie schloss die Augen, verschränkte wieder die Hände und begann. Ihre Stimme war tatsächlich gut und klar, hielt die Tonart und erhob sich mit Leichtigkeit über die Straßengeräusche. Auch wenn ihr die Triller und Verzierungen fehlten, die Signora di Bellagranda sich auf dem Kontinent angeeignet hatte, so war das in Harrys Ohren kein Fehler.
    Doch was wirklich seine Aufmerksamkeit erregte, war nicht die Stimme des Mädchens, auch nicht ihr Gesicht, sondern das Lied selbst. Jeder Vers zählte einen Schritt in der Karriere des Räubers auf, vom bescheidenen Anfang hin zu Ruhm und Liebe, zur unvermeidlichen Gefangennahme, dem Gerichtsverfahren, und am Ende stand schließlich die Fahrt zum Galgen. So alt konnte das Lied noch nicht sein. Immerhin lebten noch einige, die sich daran erinnerten, wie Turpin gehenkt wurde. Auch hielt das Lied sich nicht an die Wirklichkeit, sondern verklärte romantisch das Leben eines gemeinen Pferdediebs und Straßenräubers. Doch die kräftige, melancholische Stimme des Mädchens machte Harry den Unterschied zwischen Turpins kühnen, abenteuerlichen Tagen und den dumpfen Zwängen seiner eigenen modernen Zeit bewusst.
    „Hör mal, Atherwall“, jammerte einer der Herren in den Sesseln hinter ihm, „ich habe jetzt genug von deinen infernalischen arktischen Windstößen. Mach sofort das Fenster zu, bevor wir uns hier noch alle den Tod holen.“
    „Oh ja, wir werden alle umkommen“, erklärte Harry vom Fenster her und hob die Stimme, damit ihn auch jeder hören konnte. „Aber es wird die Langeweile sein, die uns ins Grab bringt, kein mildes Aprillüftchen. Tödliche, gähnende Langeweile. “
    „Das ist jetzt aber ein wenig hart ausgedrückt, Harry, nicht wahr?“, meinte Walter etwas unbehaglich. „Außerdem hast du sicher schon genug vom Gesang des Mädchens gehört, um dir ein Urteil bilden zu können.“
    „Ich habe genug gehört, um zu genau dem gleichen Urteil zu kommen wie du. Ich stimme mit dir überein, dass ihre Stimme der Stimme der Signora weit überlegen ist.“ Harry holte eine Handvoll Münzen aus seiner Tasche. „Hier, Kleine, du hast Englands Ehre hervorragend verteidigt.“
    „Danke, Mylord. Dankeschön!“ Die junge Frau knickste lächelnd und sammelte dann rasch die Münzen ein, die Harry ihr zugeworfen hatte. Er konnte deutlich hören, wie sie erstaunt nach Luft schnappte. Er hatte ihr statt der versprochenen Guinea gleich vier gegeben. Sie knickste ein letztes Mal. Dann, während Harry sich immer noch aus dem Fenster lehnte und sie beobachtete, huschte sie mit ihrem neuen Reichtum davon, bevor er seine Meinung vielleicht noch hätte ändern können.
    „Sie ist fort, Harry“, sagte Walter, der bibbernd neben ihm stand. „Jetzt kannst du dieses verdammte Fenster zumachen.“
    „Was, an so einem milden Aprilabend?“ Harry grinste ihn über die Schulter an und ließ das Fenster absichtlich offen stehen. „Es ist so schön draußen, ich bin fast entschlossen auszureiten.“
    „Sei kein Esel“, meinte Walter ärgerlich. „Kein vernünftiger Mann wird heute Nacht irgendwo hinreiten, wenn er nicht muss.“
    „Ich habe nie behauptet, vernünftig zu sein“, erwiderte Harry leichthin, schloss das Fenster und drehte sich um, die Arme über der Brust verschränkt. „Das Lied des Mädchens hat mich nachdenklich

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