Geliebte Gefangene
Versprechen einzufordern.
4. KAPITEL
Verloren in einem tiefen Schmerz jenseits von Raum und Zeit, schlief Anne den ganzen folgenden Tag und die nächste Nacht und erwachte erst wieder am darauffolgenden Morgen. Sie fühlte sich, als wäre ihr Herz gebrochen, aber es gab Dinge, um die sie sich kümmern, und die Sicherheit ihrer Leute, die sie schützen musste. Mühsam erhob sie sich, ergab sich lustlos Edwinas Umsorgungen und aß ihr Frühstück aus dünnem Haferbrei. Schließlich erkundigte sie sich, was seit der Einnahme der Burg alles geschehen war. Es herrschte überall ein geschäftiges Treiben, dass sie selbst in ihrer Kammer spüren konnte und das sie an die Zeit erinnerte, als es ihrem Vater noch gut gegangen war.
„Lord Greville hat seine Männer schon angewiesen, das Gut aufzuräumen und wieder instandzusetzen“, sagte Edwina glücklich, während sie Annes Haar bürstete. „Sie haben die Getreidespeicher hergerichtet und bringen Essen herbei. Frisches Brot und Fleisch, Madam! Kein eingelegtes Wild oder getrockneten Fisch mehr! Jetzt werdet Ihr bald wieder besser aussehen.“
Anne betrachtete ihr Gesicht in dem polierten Metallspiegel. Sie wirkte müde und erschöpft. Schwarz war eine so trostlose Farbe. Manchmal schien es denen, die es trugen, geradezu das letzte bisschen Leben aus dem Leib zu saugen. „Mein Vater“, sagte sie schließlich und fühlte eine neue Welle des Schmerzes. „Hat man seinen Leichnam gefunden?“
Edwina hielt mit dem Bürsten inne und sah ihre Herrin traurig an. „Nein, Mylady. Vom Turm ist nichts übrig geblieben. Er ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt.“
„Ein Scheiterhaufen.“ Anne zitterte und schlang die Arme um den Körper. „Und General Malvoisier? Ist er gefangen genommen worden?“
„Nein, Mylady“, wiederholte Edwina mit besorgter Miene. „Er hat seine Truppen zurückgelassen und ist geflohen. Niemand weiß, wohin er gegangen ist.“
Ungläubig starrte Anne sie an. „Er ist geflohen? Dieser verräterische, feige …“
„Ja, Mylady.“ Edwinas Miene drückte höchste Missbilligung aus. „Lord Greville jagt ihn. Einige aus dem Regiment des Generals sind entkommen, aber die meisten wurden gefangen genommen und zu General Cromwell geschickt.“ Sie hielt kurz inne. „Lord Greville ist ein guter Mann. Er hätte sie alle erschießen lassen können, aber er hat ihnen das Leben geschenkt.“
Anne blickte entsetzt hoch. „Erschießen? Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht!“ Sie atmete hörbar ein. „Ich hätte etwas tun müssen, um ihnen zu helfen.“
Beruhigend tätschelte Edwina ihr die Schulter. „Ihr habt genug getan, Madam. Ihr habt uns gerettet, als General Malvoisier uns alle verbrennen wollte! Und es gab nichts, was ihr hättet tun können, um seinen Truppen zu helfen. Was auch immer man sonst von Lord Greville halten mag, er ist gerecht und hat gegenüber unseren Leuten Gnade walten lassen.“
Nachdenklich strich Anne über ihren schwarzen Rock. Sie wusste, dass Edwina recht hatte. Simon hätte sie alle niedermetzeln können, und niemand hätte ihn aufhalten können. Doch er hatte sein Wort gehalten und war gerecht mit seinen Gefangenen umgegangen. Nur mit Malvoisier würde er anders verfahren, der sich mit seinen Taten selbst außerhalb des Gesetzes gestellt hatte. Anne fragte sich, wohin er wohl geflohen sein mochte. Vielleicht war er zurück an den Hof in Oxford geeilt, um König Charles als Erster vom Fall Graftons zu berichten. Auf diese Weise könnte er der Geschichte seine Prägung aufdrücken und hatte die Möglichkeit, seine eigene Rolle als Verräter und Feigling zu beschönigen.
Anne drehte sich zu Edwina herum. „Wie viele Männer aus Grafton haben wir verloren?“, fragte sie. „Und Lord Greville … Sind viele von seinen Leuten verletzt? Ich habe vorher noch gar nicht daran gedacht, aber brauchst du mich, um bei ihrer Pflege zu helfen?“
Edwina seufzte. „Kein Mann aus Grafton wurde verletzt. Es gab ein paar Kratzer hier und da, aber nichts, was nicht leicht behandelt werden konnte. Malvoisier hat über fünfzig Männer verloren, auf Lord Grevilles Seite gab es nur etwa ein halbes Dutzend Tote.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich habe allerdings das Gefühl, dass es ihm um jeden einzelnen leidtut.“
Anne fühlte sich elend, als sie an die Familien der Soldaten dachte, die ihr Leben verloren hatten. „Und Sir Henry? Ich hoffe, es geht ihm nicht wieder schlechter?“
Edwina lächelte und wischte sich
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