Geliebte Gefangene
rutschte so weit von ihm weg, wie es auf der Bank möglich war. Es schien nicht weit genug, aber sie widerstand dem Impuls, aufzustehen und sich auf den Lehnstuhl zu setzen. Stattdessen faltete sie die Hände im Schoß.
Simon sah sie an. Die Ruhe, die er ausstrahlte, verunsicherte sie. „Es ist wohl unvermeidlich, dass die Diskussion über die Zukunft Graftons Euch nicht gefallen wird, Mylady.“
Seine Stimme klang höflich, aber Anne ließ sich nicht täuschen. Simon Greville war ein harter Mann, und er hatte in Grafton eine Aufgabe zu erledigen. Der Kampf um das Gut war vorbei, aber der Kampf zwischen ihnen begann hier und jetzt.
Mit einer schnellen, fahrigen Geste strich sie ihren Rock glatt. „Ich verstehe. Bevor wir also unvermeidlich in Streit geraten, Mylord, will ich Euch noch etwas sagen.“ Sie sah, dass er die Augenbrauen hochzog. Sein Blick war beunruhigend direkt. Anne schluckte und schaute zur Seite. „Ich schulde Euch mein Leben“, sagte sie schnell. „Es tut mir leid, dass ich es Euch nicht gerade leicht gemacht habe, mich zu retten.“
Simon lächelte. Es war ein echtes Lächeln, das seine Augen erreichte und Anne mit Wärme erfüllte. „Ihr wolltet Euren Vater nicht verlassen. Ich kann das gut verstehen.“
Anne presste die Hände fest zusammen. „Ich habe gehört, dass es unwahrscheinlich ist, seinen Leichnam noch finden zu können.“
„Vermutlich ist es so. Es tut mir leid.“
„Dann habe ich eine Bitte an Euch, Mylord.“ Anne wusste, dass ihre Stimme sich widerwillig anhörte. Es widerstrebte ihr, ihn um irgendetwas zu bitten, denn es bestätigte nur die Tatsache, dass er jetzt der Herr von Grafton war – und sie sich in seiner Gewalt befand. „Es betrifft meinen Vater“, fuhr sie schließlich fort. „Auch wenn ich ihn nicht beerdigen kann, möchte ich ihm doch die letzte Ehre erweisen. Ich bin mir sicher, dass die Menschen von Grafton ihm ihren Respekt erweisen möchten. Deshalb frage ich mich, ob wir vielleicht eine Totenfeier für ihn veranstalten können.“
„Natürlich. Ich werde das veranlassen.“
Anne nickte ihm zu. „Danke, Lord Greville. Das ist mehr als ich erwarten konnte – von einem Feind.“
Mit ironischem Lächeln verneigte sich Simon. „Womit wir wieder bei unserer Diskussion über die Zukunft Graftons wären, Lady Anne.“
„Die Zukunft Graftons liegt jetzt in meinen Händen“, stellte Anne klar. Von einer plötzlichen Unruhe ergriffen sprang sie auf und ging kurz auf und ab, bevor sie sich ihm wieder zuwandte. „Und deshalb, Mylord, muss ich wissen, was Ihr vorhabt. Grafton ist mein Erbe, und ich will wissen, wann ihr abreisen werdet. Ich habe gehört, dass General Malvoisier entkommen ist und seine Truppe zerschlagen wurde. Ihr habt die Kontrolle über die Waffenkammer. Grafton ist nicht länger eine Garnison des Königs und damit auch keine militärische Bedrohung mehr für Euch.“
Sie hielt inne, denn sie konnte die Antwort schon in seinem Gesicht lesen. Seine Zuvorkommenheit war verschwunden, und er sah hart und unnachgiebig aus. Für einen Moment herrschte Stille.
„Ich bedaure, aber so einfach ist es nicht“, erklärte Simon gedehnt.
Sprachlos starrte Anne ihn an. Genau das hatte sie befürchtet. Ihre einzige Hoffnung war gewesen, dass Simons Truppen weiterziehen würden und sie die Möglichkeit hätte, Grafton zu seinem alten Wohlstand zurückzuverhelfen, nun, da die Belagerung beendet und Malvoisier geschlagen war. Sie hatte sich das von ganzem Herzen gewünscht, aber ihr Verstand hatte ihr immer gesagt, dass die Parlamentarier Grafton niemals aufgeben würden, wenn sie es einmal erobert hatten. Es war ein zu wertvoller Preis.
Simon stand auf, trat zum Kamin hinüber und betrachtete sie über den Raum hinweg. „Ihr müsst verstehen, Lady Anne, dass es mehrere Gründe gibt, warum ich Grafton nicht verlassen kann.“
„Ich verstehe überhaupt nichts“, entgegnete Anne mit klarer Stimme. „Außer dass Grafton rechtmäßig mein Erbe ist und Ihr hier nicht mehr willkommen seid, Mylord.“
Unbewegt schaute Simon sie an. Sie konnte nicht einschätzen, ob ihr Ausbruch ihn verärgert hatte oder ob er ihn völlig kalt ließ, denn sein Gesicht war bewegungslos wie das einer Statue.
„Ich erwarte, dass Ihr im Namen der Royalisten ein Dokument über Eure militärische Niederlage unterzeichnet, Lady Anne. Danach können wir darüber reden, was als Nächstes geschehen wird.“
Die Luft zwischen ihnen war plötzlich erfüllt mit
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