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Geliebte Gefangene

Geliebte Gefangene

Titel: Geliebte Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: NICOLA CORNICK
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wollte, hier verstecken. Aber das entsprach nicht ihrer Art. Sie würde nicht einfach herumsitzen und Simon Greville ihr Erbe überlassen. Denn genau das würde vermutlich passieren, wenn sie sich ihm nicht entgegenstellte.
    Langsam ging sie den steingepflasterten Korridor entlang zum Empfangszimmer. Jetzt, da der Tempest Tower zerstört war, war sie in ihre Gemächer im Haupthaus zurückgekehrt. Ihre Vertrautheit brachte ihr Trost. Hier hatte sie an Regentagen mit Muna Schach oder Dame gespielt, hier hatten sie gelesen und getratscht und gestickt, wenn auch in Annes Fall nicht besonders gut. Hier waren sie unterrichtet worden, hatten Astronomie, Griechisch und Mathematik gelernt, bis ihr Tutor sie entlassen hatte und sie auf die grünen Wiesen gelaufen waren, um zu spielen. Lord Graftons Bemühungen, seiner Tochter dieselbe Erziehung wie einem Jungen zukommen zu lassen, waren nicht immer von Erfolg gekrönt gewesen. Sie hatte Mathematik und Rechtsprechung gehasst, aber sie liebte Sprachen und Geschichte. Und sie konnte mit einem Schwert kämpfen und einen Pfeil weiter schießen als mancher Mann.
    Vom Fenster des Empfangszimmers überblickte man den Burghof und die Mauer. Anne presste ihre Hand gegen die Rauten der Bleiglasscheibe und sah über die sanft geschwungenen Hügel Oxfordshires. Sie sehnte sich nach frischer Luft, einem schnellen Galopp über das frische Grün, nach Freiheit. Nach drei Monaten der Belagerung fühlte sie sich ruhelos.
    Aber nicht allein deshalb ging sie rastlos im Zimmer auf und ab. Sie wusste, dass sie in wenigen Minuten Simon Greville wieder gegenüberstehen würde, und das war der Grund, warum ihr Herz aufgeregt schlug und ihr Atem schneller ging.
    Es war unmöglich, an ihn zu denken, ohne dass ihr ein Schauer über den Rücken lief, wenn sie sich an die Hitze und das Glück in seinen Armen am Vorabend der Schlacht erinnerte. Es war verrückt gewesen, aber eine süße Verrücktheit, und die Erinnerung weckte eine Sinnlichkeit tief in ihr. Das Gefühl erschütterte sie immer noch. Sie hatte große Angst, dass seine Ausstrahlung und seine Berührungen ihre Entschlossenheit, um Grafton und für den König zu kämpfen, unterminieren würden. Und das konnte sie auf keinen Fall zulassen.
    Sie hörte schnelle Schritte an der Türschwelle, und dann verbeugte sich Simon vor ihr. Er trug Uniform, die schwarz-scharlachrote Jacke und die grauen Hosen seines eigenen Kavallerieregiments. Anne straffte die Schultern. Er sah eindrucksvoll und viel zu gefährlich aus, eine Erinnerung an seinen Status in Grafton als Repräsentant der siegreichen parlamentarischen Armee. Als sie sich an den kampfzerzausten Mann erinnerte, der sie aus dem Zimmer ihres Vaters gerettet hatte, machte ihr Herz einen verräterischen Satz. Ihre Blicke trafen sich, und sie zwang sich wegzusehen. Ihr treuloser Körper und ihr eigensinniges Herz sagten ihr, dass sie sich diesem Mann seelenverwandt fühlte, aber sie musste solche Ideen gleich wieder vergessen. Die Zukunft Graftons stand auf dem Spiel, genauso wie die Zukunft des Königs, und sie konnte sich nicht erlauben, sich von Lord Grevilles eindrucksvoller Erscheinung blenden zu lassen. Er war der Eroberer von Grafton, und sie musste auf der Hut sein, um sich und ihr Erbe – und den Schatz des Königs – zu verteidigen.
    „Lady Anne.“ Simon klang sehr förmlich. „Bitte erlaubt mir, Euch mein Beileid zum Verlust Eures Vaters auszusprechen.“
    Anne neigte den Kopf, ebenso auf Förmlichkeit bedacht. „Ich danke Euch, Lord Greville.“
    Edwina gehorchte dem stummen Befehl in Simon Grevilles Blick, knickste schnell und verließ das Zimmer. Sobald die Tür geschlossen war, trat Simon zu Anne und führte sie hinüber zur Sitzbank. Sie fühlte, wie eine Welle des Verlangens über ihren Rücken lief, und versuchte, sich innerlich dagegen zu wappnen. Ihre Gefühle für ihn waren schon jetzt viel zu kompliziert. Sie war zu verletzlich und musste Abstand halten, und sei es nur aus Selbstschutz.
    „Ihr seht erschöpft aus, Mylady“, bemerkte Simon. Der Blick seiner dunklen Augen glitt über ihr Gesicht. „Geht es Euch auch gut? Ich möchte Euer Leid nicht vergrößern, indem ich über geschäftliche Dinge spreche, die auch zu passenderer Stunde besprochen werden können.“
    Anne hob den Kopf und sah ihm direkt ins Gesicht. „Euer Anliegen wird mein Leid also vergrößern, Lord Greville?“, fragte sie. „Es ist betrüblich, das zu hören.“ Sie entzog ihm ihre Hand und

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