Geliebte Gefangene
anvertraut hatten, hatten das ihnen einzig Mögliche getan. Sie waren Simons Männern in die Falle gegangen, als sie Elizabeth von Bristol zu ihrem Vater nach Oxford eskortierten. Sie hatten erkannt, dass sich dem Kampf zu stellen, sehr wohl Gefangenschaft oder sogar Tod für die Prinzessin bedeuten würde und ihren Herrn zu einer grausamen Entscheidung zwingen würde, die kein Mensch je zu fällen haben sollte. Also hatten sie sie nach Grafton in Sicherheit gebracht. Der Earl hatte das Geheimnis bewahrt und es nur mit Anne und ihren treuesten Bediensteten geteilt. Sie hatten die Identität der Prinzessin während der gesamten Belagerungszeit vor Malvoisier verheimlicht. Dann war der Earl gestorben, und Anne musste die Last alleine weitertragen. Und sie hatte gewusst, dass sie, egal, wie hart Simon sie auch verhören mochte, niemals die Sicherheit eines zehnjährigen Kindes für sich oder Grafton opfern konnte.
Sie wagte es nicht, Simon die Wahrheit zu sagen, auch wenn ein Teil von ihr es verzweifelt wollte. Sie war sicher, dass er nie bewusst einem Kind Schaden zufügen oder es für seine eigenen Zwecke missbrauchen würde. Aber sie wusste auch, dass er Elizabeth, wenn sie in seine Hände fiel, zu Lord Fairfax und den Befehlshabern der Parlamentarier schicken müsste. Dann wäre die Prinzessin eine politische Gefangene. Ein zehnjähriges Kind, nicht mehr als ein Bauernopfer im Spiel der Könige. Wenn Simon von der Anwesenheit der Prinzessin in Grafton erfahren würde, wäre ihr Schicksal besiegelt.
Bei dem Gedanken an die Prinzessin, die im Schlaf nach ihrem Vater rief, stiegen Anne die Tränen in die Augen. Ihre Mutter war in Frankreich, ihre Geschwister in alle Winde zerstreut.
Sie hatte nur die raue, aber herzliche Gastfreundschaft in Annes Haushalt, auf die sie sich verlassen konnte, und eine unsichere Zukunft, in die sie ihre Hoffnung setzen musste. Wieder einmal spürte Anne die erdrückende Last des königlichen Auftrags auf ihren Schultern. Er hatte ihrem Vater geschrieben: ‚Beschützt meine Tochter, und wenn die Zeit gekommen ist, bringt sie zu mir …‘
Es waren nur Worte, aber die Aufgabe erwies sich als schier unlösbar.
Anne straffte die Schultern. Die Zeit nahte, in der sie alles tun musste, was nötig war, um Elizabeth wieder mit ihrem Vater zu vereinen. Für einen Moment setzte ihr fast das Herz aus, als sie sich fragte, was Simon wohl tun würde, wenn er die Wahrheit erführe. Sie drängte den Gedanken beiseite. Das durfte einfach nicht geschehen.
Inzwischen hatte sie beinahe die Kirchentür erreicht. Wenn sie in die Sakristei schlüpfen konnte, bevor man sie sah, wäre alles gut. Wenn nicht, musste sie sehen, wie sie sich herausreden konnte.
Ihr Atem kam schnell, als sie in die Kirche schlüpfte. Sie schien leer zu sein. Offensichtlich suchte man nun woanders nach ihr. Sie eilte das Hauptschiff hinunter in Richtung der Sakristei und hoffte, dass Simon es sich nicht anders überlegt und die Tür doch aufgebrochen hatte. Nur noch einige wenige Augenblicke … Sie entriegelte die Tür mit zitternden Fingern, öffnete sie …
Und dann flog krachend die Haupttür der Kirche auf, und Simon Greville, Will Jackson und ein halbes Dutzend weitere Soldaten standen hinter ihr auf der Schwelle.
Anne ließ sich bewusst Zeit, als sie sich umdrehte. Sie blinzelte, als würde sie das flackernde Licht der Fackeln blenden, und zog die Tür der Sakristei wieder zu, als wäre sie nicht dabei gewesen, hineinzugehen, sondern als hätte sie den Raum gerade verlassen wollen. Dann lehnte sie den Rücken gegen die tröstlich soliden Bretter der Tür und nahm einen tiefen Atemzug. „Lord Greville?“ Es fiel ihr nicht schwer, ihrer Stimme einen erstaunten Klang zu geben. „Ist etwas passiert? Was machen all diese Soldaten hier?“
„Madam!“ Jackson klang überrascht, sie hier zu sehen. „Ich …“ Er wandte sich Simon zu. „Ich schwöre, sie … sie kann unmöglich hier gewesen sein, als wir vorhin nach ihr gesucht haben, Mylord!“
Als sie seinen verzweifelten Tonfall hörte, hatte Anne beinahe Mitleid mit ihm. Sie bemühte sich um einen verwirrten Gesichtsausdruck und ließ ihren Blick von einem zum anderen wandern. „Lord Greville?“, fragte sie noch einmal höflich. „Was geht hier vor?“
Simon kam langsam auf sie zu, seine Hände tief in den Taschen vergraben, sein lässiges Auftreten in scharfem Gegensatz zu der Aufmerksamkeit in seinem Blick. „Wo seid Ihr gewesen?“
Scheinbar erstaunt
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