Geliebte Gefangene
dass er so aufgeregt war wie als grüner Junge bei seinem ersten Einsatz als Befehlshaber.
Er sah, wie Fulwar aufblickte, die Hand zum Gruß erhob und seine Truppe hinter sich anhalten ließ. Das Licht der Feuer warf schimmernde Reflexe auf die Harnische und Brustplatten seiner Männer. Auch wenn Fulwar wegen seines Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit nicht für den König in den Krieg gezogen war, sahen seine Männer doch beinahe wie eine eindringende Armee aus.
Über der gesamten Burg hing gespannte Aufmerksamkeit. Selbst die Köche waren in den Burghof getreten, um einen Blick auf den Eisernen Earl zu erhaschen. Fulwar Greville of Harington war ein Mann mit dem Ruf eines Teufels und jeder wollte ihn sehen – aus sicherer Entfernung.
In diesem Augenblick hörte Simon Schritte hinter sich und wirbelte herum. Anne stand in der Tür, eine schmale aufrechte Gestalt in tiefem Schwarz. Er sah, wie ihr Gesicht aufleuchtete und ihre Lippen sich, erleichtert einatmend, öffneten. Fulwar war inzwischen mühsam abgestiegen. Anne lief die Treppe hinunter und warf sich in seine Arme.
„Onkel Fulwar! Ich bin so froh, Euch zu sehen!“
„Ich wünsche nicht, dass du Lady Anne heiratest!“ Fulwar Grevilles flache Hand donnerte auf den Eichentisch, sodass die Zinnbecher tanzten. „Wir haben vielleicht unterschiedliche politische Ansichten, mein Junge, aber du bist immer noch mein Sohn, und jetzt steht die Zukunft Haringtons auf dem Spiel. Vergiss die Verbindung! Ich werde sie niemals erlauben.“
Der Streit tobte nun schon über eine Stunde. Es war Simon mit dem ersten Blick auf seinen Vater klar gewesen, dass er unfassbar wütend war. Der Earl hatte seinen Ärger für zehn Minuten unterdrückt, während er Anne begrüßte, aber dann hatte er sich seinen Söhnen zugewandt, und die Atmosphäre war merklich kühler geworden. Seine eisige Begrüßung hatte Henry in sich zusammenschrumpfen lassen. Er hatte etwas gemurmelt, dass er sich in sein Zimmer zurückziehen würde, um auszuruhen, und sein Vater hatte mit seiner Verachtung angesichts so unmännlichen Verhaltens nicht hinter dem Berg gehalten. Simon hatte unterdessen Jackson angewiesen, sich um die Unterbringung der Pferde seines Vaters und die Versorgung seiner Männer zu kümmern. Dann hatte er den Arm des Earls genommen und seinen Vater in die Große Halle geführt.
„Das arme Kind“, sagte Fulwar nun und schüttelte sein graues Haupt in einer Bewegung, die an einen alten Bären erinnerte. „Arme Lady Anne. Vor kaum zwei Monaten ist ihr Vater gestorben, und schon setzt ihr Fairfax – genau wie du selbst, wenn ich es richtig verstanden habe – unbarmherzig zu, ihr Erbe aufzugeben. Schande über euch!“ Erneut donnerte seine Faust auf den Tisch. „Ist es schon so weit gekommen, dass wir die unschuldigen Opfer dieses Konflikts quälen müssen? Fairfax muss den Verstand verloren haben!“
Simon verzog das Gesicht. Von dem Moment an, als sein Vater angekommen war, brannte er vor Ungeduld zu erfahren, was Anne geschrieben haben könnte, das Fulwar dazu gebracht hatte, sofort zu ihrer Rettung nach Grafton zu eilen. Eigentlich war es keine große Überraschung, musste er sich eingestehen. Anne war Fulwars Patenkind. Obwohl der Earl nicht am Kriegsgeschehen teilnahm und jetzt alt und eher schwach war, würde er ihr doch, wenn sie ihn um Hilfe bat, auf jeden Fall zur Seite stehen.
Fulwar wetterte noch immer gegen Thomas Fairfax, und Simon seufzte schwer. Er wusste, dass sein Vater den parlamentarischen Befehlshaber dafür verantwortlich machte, dass sein ältester Sohn sich einer seiner Meinung nach verräterischen Sache angeschlossen hatte. Fulwar interessierte sich nicht für die Feinheiten der Politik. Seine Treue zum König war absolut und unantastbar, weil der König von Gottes Gnaden eingesetzt worden war. Simon hatte versucht, ihm klarzumachen, dass der Herrscher seine königlichen Rechte missbrauchte und mit seinen Steuern das Volk in die Knie zwang. Deshalb hatte Simon sich für eine Reform ausgesprochen. Als Fulwar herausgefunden hatte, dass seine beiden Söhne sich gegen den von Gott bestimmten König wenden wollten, war es zu einer hitzigen Auseinandersetzung gekommen, während der harte Worte gefallen waren und von der sich keine Seite bisher wieder richtig erholt hatte. Der Earl hatte getobt und gewütet und seinen Söhnen verboten, in den Krieg zu ziehen, aber Simon wusste, dass der Zwist seinem Vater, trotz all seiner Drohungen, das Herz brach.
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