Geliebte Gefangene
mich denn entscheiden?“, fragte sie mit einem Seufzen.
Fulwar nickte. „Grafton gehört jetzt Simon.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht verhindern. Der junge Narr ist in seiner Sache fehlgeleitet, aber wenn er einen Treueschwur einmal geleistet hat, dann hält er daran fest.“ Er sah sie an. „Er wollte Euch schon vor vier Jahren heiraten, Anne. Er wollte Euch in Ehren zu seiner Frau machen. Seine Meinung hat sich nicht geändert.“
Annes Blick richtete sich auf die Wolken, die sich am Horizont zusammenballten. Sie konnte den Falken nun als kleinen schwarzen Punkt gegen die weiße Helle sehen, wie er auf der Suche nach Beute höher und höher stieg. Als sie schließlich antwortete, hatte sie einen Kloß im Hals. „Er hat eine seltsame Art, das zu zeigen“, sagte sie bitter. „Er droht, meine Bediensteten zu quälen und mich zur Ehe zu zwingen.“
„Simon erfüllt die Aufgabe, die ihm zugeteilt wurde“, erklärte Fulwar, „aber er macht es mit schwerem Herzen.“ Er seufzte. „Wenn ihr nur erkennen könntet, wie ähnlich ihr euch seid. Beide so jung, so leidenschaftlich an die eigene Sache ergeben.“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn ihr nur erkennen könntet, dass ihr beide Menschen seid, die sich an ihren Treueschwur halten. Wenn ihr euch gegenseitig diese Treue geben würdet, hättet ihr euren Herzenspartner gefunden.“
Die milde Märzbrise strich sanft über Annes Haut. Tauben erhoben sich flügelschlagend aus den nackten Ästen der Bäume. Anne hatte Angst um sie. Irgendwo hoch oben wartete der Falke. „Ich habe ein anderes Versprechen zuerst gegeben. Es tut mir leid, Mylord, aber ich kann meinen Treueschwur nicht brechen.“
Fulwar nickte. „Ich respektiere das, aber es gibt etwas, das Ihr wissen solltet, Lady Anne.“
Sein Gesicht sah plötzlich finster und traurig aus, und Anne fühlte, wie Angst ihr Herz ergriff. „Was ist es?“, flüsterte sie.
„Der König hat mit mir über Grafton gesprochen, als es an das Parlament gefallen ist. Er sagte mir, dass er die Erklärung der militärischen Niederlage selbst unterschreiben würde. Der Verlust tat ihm leid, aber er wollte Grafton gegen Basing eintauschen – ein Handel mit General Cromwell, um die Garnison dort zu retten.“ Er warf einen Blick auf Annes kummervolles Gesicht. „Es tut mir leid, Lady Anne. In Zeiten wie diesen müssen harte Entscheidungen gefällt werden. Es wäre politisch sinnvoll gewesen und diente einem höheren Ziel.“
„Nein!“ Anne sprang auf. In ihrem Hals brannte es schmerzhaft. „Nach allem, was wir für ihn getan haben, würde der König das nicht machen.“
Mitleid schimmerte in Fulwars Blick. „Am Ende tat er es auch nicht“, bestätigte er, „auch wenn etliche seiner Berater ihm zuredeten. Aber aus irgendeinem Grund wollte er es nicht tun. Niemand von uns hat verstanden, warum nicht.“
Anne verstand es. In einer plötzlichen desillusionierenden Erkenntnis wurde ihr alles klar. Der König wagte es nicht, Grafton aufzugeben, solange seine Tochter dort versteckt war. Das war die eine Sache, die ihn zurückgehalten hatte. Es war keine Loyalität gegenüber Anne gewesen, Respekt für ihren Vater oder irgendeines der anderen Dinge, von denen sie sich eingebildet hatte, sie würden ihm etwas bedeuten. Das war die harte Wirklichkeit. Sie hatte Prinzessin Elizabeth, und solange dies der Fall war, würde König Charles Grafton nicht zu Verhandlungszwecken einsetzen. Wäre seine Tochter jedoch nicht in ihrem Haus, wäre ihr Schicksal schon lange entschieden, wurde Anne plötzlich bewusst. „Ich danke Euch, dass Ihr mir das erzählt habt, Mylord.“ Ungeweinte Tränen ließen ihre Stimme rau klingen. „Mir war nicht klar … was für eine Närrin ich gewesen bin!“ Sie wandte sich ab, damit Fulwar nicht die verhassten Tränen sehen konnte, die ihr nun doch über die Wangen liefen. „Entschuldigt mich bitte.“
Vor seinem erstaunten Blick ließ sie den Handschuh zu Boden fallen und wandte sich blind ab. Sie wusste nicht, wohin sie ging. Sie wollte nur irgendwohin, wo es still war und sie sich in Ruhe ihrem Schmerz ergeben konnte. Aber wieder und wieder hörte sie die Worte in ihrem Kopf. Sie ließen ihr keine Ruhe: ‚Er sagte mir, dass er die Erklärung der militärischen Niederlage selbst unterschreiben würde. Der Verlust tat ihm leid, aber er wollte Grafton gegen Basing eintauschen … Es wäre politisch sinnvoll gewesen …‘
Ein Schluchzen entriss sich tief aus ihrer Brust. Sie war
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