Geliebte Gefangene
Gebiet eingedrungen und hatte alles bedroht, was er selbst aufgebaut hatte. Er hatte ihn vertrieben und Graftons Menschen beschützt, aber er hatte nicht ihr Land retten können. Am Morgen würden die verkohlten Überreste, die Malvoisiers Angriff hinterlassen hatte, für alle sichtbar sein. Und diesmal hätte er bei seinem Versuch, all das wieder aufzubauen, Anne nicht an seiner Seite, denn er hatte sie vertrieben. Ob seine Zweifel angemessen oder nur ein durch seinen Hass auf Malvoisier hervorgerufenes Schreckgespenst waren, konnte er nicht mit Gewissheit sagen. Es gab so wenig, das Anne und ihn verband, und obendrein hatte er immer mit ihrer Ergebenheit an ihre Sache konkurrieren müssen.
Für einen Moment überlegte er, während er einen weiteren Be cher Wein leerte, nach Anne schicken zu lassen und von ihr zu verlangen, ihm den Grund zu nennen, warum sie Grafton in dieser Nacht verlassen hatte. Henry hatte recht. Er, Simon, hatte Anne keine Gelegenheit gegeben, ihm eine Erklärung zu liefern, und jetzt war er so aufgewühlt, dass er nicht hören wollte, was sie zu sagen hatte. Er hatte Angst davor.
Mit einem Fluch hob Simon den Becher wieder an seine Lippen. Jetzt, da der Wein etwas Klarheit in seinen Verstand brachte, erkannte er, welche Verwüstung er in seiner Ehe angerichtet hatte, noch bevor sie wirklich begonnen hatte. Er hatte versucht, Anne dazu zu bringen, ihren Treueschwur zu brechen, indem er drohte, ihre Bediensteten zu foltern, sollten sie ihm nicht verraten, wo der Schatz des Königs versteckt war. Er hatte sie praktisch zu der Ehe gezwungen. Und jetzt, hervorgerufen durch seine Eifersucht und Wut, hatte er gezeigt, wie wenig er ihr immer noch vertraute. Jedes letzte Fünkchen Liebe, das sie für ihn gehabt haben mochte, hatte er in seinem Versuch, seine Loyalität über seine Liebe zu stellen und die Dinge, die er haben wollte, um jeden Preis zu bekommen, mit Sicherheit zerstört.
Er rief nach Jackson, und als der Captain kam, befahl er ihm, Anne aus ihrer Zelle zu holen. Kaum zehn Minuten später kehrte der Captain zurück – allein. Er zitterte.
„Mylord.“ Jackson räusperte sich. „Lady Greville hat mich gebeten, Euch mitzuteilen, dass sie Eurem Befehl nicht Folge leisten wird. Sie sagte“, er schluckte hart, „dass sie ihre Hochzeitsnacht lieber in einer Gefängniszelle als in Eurem Bett verbringen würde, Mylord.“
Nachdem Jackson gegangen war, goss Simon den letzten Wein aus dem Krug in seinen Becher. Dort wartete Vergessen auf ihn, aber selbst als er sich in die Bewusstlosigkeit trank, sagte ihm eine leise Stimme in seinem Hinterkopf, dass es nicht verwunderlich wäre, wenn seine Frau nie wieder ein Wort mit ihm sprechen würde.
Allein und zusammengekauert saß Anne in der Dunkelheit. Der Kerker in Grafton war eine winzige Zelle mit einem Gitter im Fußboden, das sich zum Burggraben darunter öffnete. Die Luft, die hereindrang, war bitterkalt und roch nach nassen Pflanzen.
Es war spät, und Anne hatte Hunger. Aber sie bezweifelte, dass Simon ihr Essen bringen lassen würde. Sie war zu stolz, um darum zu bitten oder um ein paar Decken, die die Kälte abhalten würden. Als Simons Captain mit seiner Botschaft gekommen war, war sie so wütend gewesen, dass sie lieber erfroren wäre, als seinem Befehl Folge zu leisten. Nun kauerte sie in einer Ecke und dachte über Simon nach.
Sie hasste ihn nicht. Ein Teil von ihr verstand sogar sein Verhalten, auch wenn ihr wundes Herz sich dagegen wehrte.
Was Prinzessin Elizabeth betraf, war ihre Angst zumindest gestillt. Edwina war im Burghof gewesen, als sie zurückgekommen war, und Anne hatte so unauffällig wie möglich versucht, ihren Blick aufzufangen. Als Edwina sie angelächelt und genickt hatte, war ihr ein großer Stein vom Herzen gefallen, während sie gleichzeitig neue Verzweiflung überfallen hatte. Sie hatten die Prinzessin gefunden. Ihre ganze Eskapade war unnötig gewesen. Nun brauchte sie Simon nie die Wahrheit zu erzählen, was in dieser Nacht tatsächlich passiert war. Sie konnte das Geheimnis noch einige Tage länger bewahren, bis Charles nach seiner Tochter schickte. Denn er würde nach ihr schicken, bald. Anne war sich ganz sicher.
Schließlich fiel sie in einen unruhigen Schlaf, während sie versuchte, die Kälte und das Leid in ihrem Herzen zu vergessen.
Sie wurde von Stimmen vor der Tür geweckt.
„Lady Anne darf kein Essen bekommen? Wer hat das angeordnet?“
Es war Edwina. Anne rieb sich die Augen und setzte
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