Geliebte Korsarin
So haben sie ihren Käpten noch nie gesehen. Im Abendkleid! Und wenn Sie nicht in der Nähe sind, ist sie viermal so grob mit der Mannschaft wie früher! Den Bärtigen hat sie, kurz bevor das mit uns passierte, mit einem gemeinen Judotrick gegen das Ruderhaus gedonnert, daß es nur so krachte. Nur, weil er bemerkt hatte: ›Donnerwetter, das ist ja wirklich eine vollkommene Frau!‹«
Dr. Rainherr trat an das breite Salonfenster und blickte hinüber zu der Piratenyacht. Bis auf die Positionslichter war alles dunkel. Da war McDonald trotz Korsarendienst ein unbestechlicher Steuermann.
»Wir werden alles so machen, wie es die Piraten-Lady befiehlt«, sagte Rainherr langsam. »Das Leben hat gerade und krumme Straßen – wir sind zur Zeit auf einer verdammt krummen, Juan. Aber irgendwo kommt jede Straße an. Und darauf bin ich gewappnet.«
»Ich habe Angst um Sie, Chef.«
»Ich auch.« Dr. Rainherr trat vom Fenster zurück. »Aber anders als du.«
Bei Sonnenaufgang kamen zwei Männer der Piratenmannschaft an Bord der ANNETTE I.
Wenn sie geglaubt hatten, Schläfer zu überraschen, hatten sie sich getäuscht. Rainherr und Juan waren längst auf den Beinen und reisefertig. Sie hatten die Bestände an Eßwaren und Trinkbarem inspiziert und ausgerechnet, daß Juan allein es gut vier Wochen auf der ANNETTE I aushalten konnte, auch wenn man ihn nicht abschleppte, wie versprochen. In vier Wochen konnte Juan entweder mit dem Beiboot Hilfe geholt haben, oder er hatte sogar die Schäden im Maschinenraum selbst soweit repariert, daß er mit eigener Kraft auslaufen konnte.
»Dann komme ich nach Belize!« sagte er. »Chef, und dann räume ich aber auf, wenn die uns aufs Kreuz legen wollen. Diese ›Firma‹ wird Konkurs machen!«
Auf der ALTUN HA erwartete Mary-Anne ihren ›Gefangenen‹. Sie trug wieder die Kapitänsuniform, die Haare hochgebunden unter der weißen, mit Goldlitzen verzierten Kommandantenmütze, und sah wieder aus wie ein junger Bursche, der sein Leben zum Abenteuer gemacht hat.
Sie stand auf der Brücke neben dem Steuermann McDonald, die starken Motoren liefen im Leerlauf, der Radarbalken kreiste am Mast. Maschinengewehre und die Kanone waren unter Deck versteckt. Die Deckplanken blitzten vor Sauberkeit, und nur Eingeweihte wußten, was sich unter den wasserdichten Deckluken verbarg.
Mary-Anne winkte Rainherr, auf die Brücke zu kommen. Sie hielt ein Sprechfunk-Mikrofon in der Hand und legte jetzt die andere Hand darüber.
»Kommen Sie hierher, Andreas!« rief sie herrisch. »Ich habe Fernando im Kasten. Wollen Sie ihn begrüßen?«
»Wenn er Wert darauf legt.« Rainherr kletterte auf die Brücke und nickte McDonald zu.
Der Steuermann stand ziemlich sauertöpfisch am Ruder und begriff anscheinend nicht, warum die beiden Gekaperten nicht den Rat befolgt hatten, den er seinem Freund Juan gegeben hatte: in der Nacht abzuhauen nach den Turneffe-Islands. Was in den nächsten Tagen in Belize bei Fernando passieren würde, das ahnte er. Es waren keine guten Ahnungen …
»Weiß er von seinem Glück?«
»Ich habe es ihm gerade erzählt.« Mary-Anne hielt ihm das Mikrofon hin. »Fernando spricht ein schlechtes Englisch, wie alle Leute in Belize, aber Sie werden ihn schon verstehen.«
»Ich spreche auch spanisch, Lady.« Rainherr nahm das Mikrofon und pustete hinein. »War das klar, Don Fernando?« fragte er dann.
Sein Spanisch war in der Tat perfekt, sogar mit dem Dialektklang der Karibik.
»Ja!« ertönte Dalques' Stimme aus dem Lautsprecher. Mehr nicht. Aber dieses Ja war schon wie ein Faustschlag.
»Ich heiße Andreas Rainherr, bin von Ihrer charmanten Geschäftspartnerin infolge einer Vernunftsentgleisung gekapert worden und werde im Laufe des Tages bei Ihnen in Belize eintreffen. Noch ist es möglich: Mögen Sie Champagner? Soll ich welchen mitbringen? Ich frage nur, weil es viele Menschen gibt, die nach Champagner schrecklich rülpsen müssen …«
McDonald wurde fahl im Gesicht, und auch Mary-Anne mußte sich am Ruderstand festhalten. Andreas Rainherr sprach sein eigenes Todesurteil aus. So konnte man doch mit Fernando nicht reden!
Prompt ertönte aus dem Lautsprecher die Antwort: »Mary …«, rief Dalques hart. »Hast du einen Verrückten aufgegabelt? Wirf ihn über Bord! Er soll mit den Haien seinen Champagner trinken!«
»Haie sind Antialkoholiker! Wußten Sie das nicht, Don Fernando?«
»Warum leben Sie noch?« schrie Dalques jetzt.
»Es gehörte – habe ich mir sagen lassen – bisher
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