Geliebte Korsarin
sehe das ein. Euch bleibt einfach nichts anderes übrig, wenn ihr euer Gewerbe fortführen wollt. Wer garantiert, daß ich nicht bei einer großzügigen Freilassung die Welt mit Interviews überschwemme, mit Artikeln unter der Schlagzeile: ›Meine Bekanntschaft mit einer Korsarin!‹ Ich könnte eine Menge Geld damit machen, vor allem in den USA und in Deutschland.«
»Sie sehen es also selbst«, sagte sie dumpf, »Ihre Lage ist aussichtslos.«
»Daran habe ich nie gezweifelt. Aber so, wie jeder Todeskandidat einen letzten Wunsch frei hat, so habe ich mir gewünscht, die letzten Stunden nur mit Ihnen zu verleben!«
»Und ich werde gar nicht gefragt?«
»Das tue ich hiermit. Wollen Sie mit mir …«
»Nein!« sagte sie laut. »Nein. Wenn Sie mit dem Frühstück fertig sind, werden Sie wie ein Gefangener behandelt.«
»In einer Dunkelzelle neben dem Maschinenraum …«
»Warten Sie es ab!«
Sie sprang auf, ohne etwas gegessen oder getrunken zu haben, und lief aus dem Salon.
In ihrer Schlafkoje schloß sie sich ein, warf sich aufs Bett und hämmerte mit den Fäusten auf die Matratze. »Du Scheusal!« schrie sie in die Kissen. »Du verdammtes Scheusal! Warum mußte ich dich kennenlernen? Ausgerechnet dich …«
Der Bärtige räumte ab und tat das bedächtig, sichtlich um Zeit zu gewinnen.
Die ALTUN HA schoß durch die karibische See, kreuz und quer in voller Fahrt durch die gefährlichen Riffe. McDonald war ein Könner als Steuermann, ein Genie am Ruder, aber selbst ihm sträubten sich die feuerroten Haare, wenn Echolot und Sonarpeilung die messerscharfen Korallenbänke meldeten … Knapp unter dem Rumpf, manchmal nur eine Handbreit von den beiden Schiffsschrauben entfernt … So raste die Yacht über das Flachwasser, sie schwebte fast über dem Meer. Hier lag eines der Geheimnisse, warum alle Küstenwachboote, alle Wasserpolizeistreifen und erst recht die Kriegsmarinefahrzeuge aller Länder rund um die Karibik so hilflos hin und her irrten, wenn ausgeraubte Millionärsyachten sie um Hilfe riefen. Das ›Gespenst der Karibik‹ war einfach nicht zu fassen. Es verkroch sich in Untiefen, wo es unerreichbar war, und schlich sich dann nachts aus dem Sperrgürtel heraus.
»Wenn ich Ihnen einen Tip geben darf, Sir?« fragte der Bärtige, als er die letzte Gabel einzeln hinausgetragen hatte und es nichts mehr wegzuräumen gab.
»Wenn er etwas wert ist?«
»Vielleicht. In den Hafen von Belize müssen wir sehr langsam einfahren. Das wäre günstig, über Bord zu springen.«
»Sind Sie verrückt?«
»Nein. Sie!«
»Euer Fernando muß ja ein wahrer Teufel sein! Was ist denn los? Ich hatte bisher von Piraten eine ganz andere Meinung. Habt ihr alle euren Beruf verfehlt? Ihr benehmt euch wie Lehrer an einer Sonntagsschule …«
»Sie müssen es wissen, Sir«, brummte der Bärtige und ging endgültig aus dem Salon.
Für ihn war die Sache erledigt. Auf der Brücke stellte er sich neben McDonald und starrte ins Wasser.
»Nun?« fragte Jim. »Was sagt er?«
»Er bleibt.«
»Das ist der sturste Hund, dem ich jemals begegnet bin.«
»Er hat sich in den Käpten verliebt.«
»Wem erzählst du das? Und das ist das Schlimmste, was passieren konnte …«
V
Wer in den Hafen von Belize einfährt, soll nur nicht glauben, er käme in eine leidlich moderne Stadt mit einem Hauch entsprechenden Lebens. Der Staat Belize hieß früher Britisch-Honduras, und Belize City war mit 45.000 Einwohnern die Hauptstadt. 1964 wurde Belize selbständig und freies Mitglied des Commonwealth. Der Union Jack wurde eingeholt, und die britischen Beamten flogen – innerlich jubelnd – nach Old England zurück und überließen Belize einem ungewissen Schicksal. Von nun an ging an diesem herrlichen Fleckchen Erde so ziemlich alles vorbei, was Neuzeit heißt.
Vielleicht war es gut so, und die Leute von Belize lebten glücklicher als alle jene, die vom Tourismus überschwemmt wurden. Denen gehört ja ihr eigener Strand nicht mehr, denn Hotelpaläste wachsen allüberall in den Himmel, und Jumbo-Jets spucken tagaus, tagein lärmende Urlauber aus. Und wie sehr könnte eine Fahrt auf dem Belizefluß in den dichten Urwald zum nervenkitzelnden Erlebnis für Touristen werden! Die Reste der grandiosen Mayastädte Altun Ha und Xunantunich sind bisher nur archäologischen Experten bekannt …
Wer hier lebt, ist zufrieden, daß er lebt – und mehr will auch keiner. So träumt Belize City in den Tag hinein, heute nicht einmal mehr Hauptstadt, nachdem 1961
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