Geliebte Korsarin
»Was soll ich machen, Chef? Ich kann mich in diesen vornehmen Kreisen nicht bewegen.«
»Versuche es, Juan!«
Dr. Rainherr lächelte und zeigte auf die Tanzfläche in dem künstlichen See. Die ersten Paare tanzten bereits Samba. An einigen Tischen saßen ein paar nicht mehr ganz junge Amerikanerinnen allein und warteten auf flirtbereite Eingeborene. Das Hotel bemühte sich immer um Nachwuchs in dieser Sparte.
»Da unten hast du Chancen genug, mein Junge. Versuche es! Die späten Mädchen sind dankbar für jeden Griff. Viel Spaß!«
»Ohne Geld, Chef?«
»Komm gleich in die Halle. Ich pumpe unsere Piratin an!«
Eine Stunde später war alles anders.
Sie hatten ein leichtes Dinner gegessen; Juan hatte genug Dollars, um einer wasserstoffblonden Touristin in den tiefen Ausschnitt ihres Cocktailkleides blicken zu können und war damit bis zum nächsten Morgen angenehm beschäftigt.
Mary-Anne und Andreas gingen am Strand spazieren, bis die laute Combomusik und der gesellschaftliche Trubel hinter ihnen lagen. Um sie war die Sternenhelle der Tropennacht, zu ihren Füßen rauschte das Meer an den Strand und zerfloß. Ein leichter Wind murmelte in den großen Palmblättern; ihre Schritte knirschten ganz zart im feinkörnigen weißen Sand.
Bei einem an Land gezogenen, alten, längst verrotteten Fischerkahn, der tagsüber gern als Fotomotiv benutzt wurde, blieben sie stehen.
»Hier?« fragte Mary-Anne leise, setzte sich auf den Rand des alten Kahns und scharrte mit den Schuhen im Sand. In langen, weichen gleichförmigen Wellen rollte das Meer heran.
Andreas Rainherr nickte und lehnte sich neben sie an den Kahn.
»Warum sagst du nicht: Sieh an, auch Piratinnen können romantisch sein?« fragte sie.
»Ich möchte nicht wieder Streit mit dir haben. Immer, wenn wir uns länger als zehn Minuten unterhalten, wetzen wir die Messer.«
»Dir gefällt es hier nicht?«
»Hier schon. Dort drüben nicht – ich hasse diese vermarkteten Paradiese. Auf Zivilisation getrimmte Schönheit wird für teures Geld verkauft.«
»Du würdest lieber ein Robinson sein?«
»Ich bin einer! Auf Cayman Brac liegt mein Haus weit weg von jeglichem Rummel. Dort kann ich nackt herumlaufen, ohne daß hundert Nachbarn am Zaun hängen und zusehen.«
»Läufst du gern nackt herum?«
»Manchmal schon.«
»Wann?«
»Wenn ich mir sage: Junge, diese Welt ist so schön wie am letzten Schöpfungstag!« Er lächelte versonnen. »Und so etwas sagt nun ein Mann von fünfundvierzig Jahren! Einer, der auf die Fünfzig zumarschiert.«
»Ich finde das schön, Andres.«
Sie knöpfte ihr Kleid auf, ließ es von der Schulter gleiten und setzte sich dann nackt wieder auf den Rand des Kahns. Ihr Körper schimmerte im Licht der Sterne und im Widerschein der weißen Brandung. Über der linken Brust klebte noch immer das Pflaster über Rainherrs Naht.
»Der Wind ist sehr warm …«, sagte sie. Ihr langes Haar wehte um ihre Schultern. »Spürst du ihn?«
»Ein wenig, ja.«
Er streifte sein Hemd über den Kopf, löste den Gürtel, zog seine Hose aus und warf alles in den Kahn. Nackt wie sie stellte er sich in den Wind und breitete die Arme aus. Die Muskeln seines Körpers traten hervor und vollführten ihr Spiel, wie er sich drehte und dehnte.
Sie sah ihm zu, mit leicht geneigtem Kopf und lächelte, als er zu ihr kam.
»Ich muß mit dir sprechen«, sagte sie.
»Bitte, nur das nicht! Es ist alles so friedlich, so wundervoll, so … gesegnet! Warum sollen wir jetzt wieder Krach miteinander kriegen?«
»Ich weiß, daß du mich gleich küssen wirst«, sagte sie. »Ich weiß, daß du mich gleich in die Arme nimmst und wir in den Sand sinken und uns endlich, endlich lieben werden. Und ich will es ja auch, ich sehne mich danach, meine Nerven würden zerreißen, wenn es jetzt nicht geschähe! Andres …«
Sie stieß ihn mit beiden Händen weg, als er nach ihr griff und sie an sich ziehen wollte. Ihr schimmernder Körper schien nun eine einzige gespannte Sehne zu sein.
»Sag jetzt nicht, daß du mich liebst …«
»Mein Gott, ich kann doch nichts anderes sagen! Ich habe noch nie eine Frau so geliebt wie dich! Es ist schon unvorstellbar für mich, ohne dich zu sein …«
»Ohne zu wissen, wer ich bin?«
»Du bist am dreiundzwanzigsten Mai geboren …«
»Die große romantische Lüge, die alles zudecken sollte! Kann man damit leben?«
»Wir können es, Mary-Anne. Wir ja! Es gibt keine zweite Liebe wie diese zwischen uns …«
Sie lächelte traurig und zog die
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