Geliebte Kurtisane
so sehr den Kopf verdreht hat, dass er kaum wiederzuerkennen ist.“
„Hat er Ihnen gesagt, dass ich eine Kurtisane bin?“
„Nun … nein.“ Sie setzte ihre Tasse ab. „Nicht direkt. Aber Ash hat es mir gesagt. Aber ganz ehrlich, wenn wir Sie der Welt vorstellen wollen, sollten wir uns eine bessere Geschichte für Sie ausdenken. Deshalb bin ich hier. Mark ist zu sehr Gentleman, um mich um diesen Gefallen zu bitten. Und Ash käme gar nicht erst auf den Gedanken. Sagen Sie … wie wahrscheinlich ist es, dass man Sie wiedererkennt?“
„Ich … ich war keine allzu berühmte Kurtisane, wenn Sie das meinen.“
„Verzeihen Sie mir meine Offenheit.“ Die Duchess schien etwas gereizt. „Für Sie muss das eine sehr heikle und unangenehme Situation sein. Aber es hilft ja nichts. Wenn Sie mit halb London verkehrt haben, so wäre jetzt der beste Zeitpunkt, es mir zu sagen, damit wir Sie aufs Land verfrachten können, bevor sich die Wahrheit herumspricht.“
Jessica schloss die Augen und wäre am liebsten im Erdboden versunken. „Nein, ganz bestimmt nicht halb London. Nicht einmal annähernd. Meine Freundin Amalie und ich, nun, wir hatten eine Regel. Sie müssen wissen, dass jeder neue Mann ein Risiko ist, weshalb wir …“
Sie warf einen vorsichtigen Blick auf die Herzogin und sparte sich den Rest. Es ging wohl kaum an, der Duchess of Parford zu erklären, nach welchen Kriterien man sich einen Gönner suchte.
„Aber letztlich reicht schon einer, um einem zum Verhängnis zu werden“, fuhr Jessica fort und spürte, wie es ihr die Kehle zuschnürte. „Und … und nicht jeder Mann, der von mir wusste, kannte mich auch, wenn Sie wissen, was ich meine.“
Die Duchess nickte verständig. „Gut, in diesem Fall würde ich eine Hochzeit im kleinsten Familienkreis vorschlagen und im Anschluss eine längere Reise ins Ausland. Danach können Sie sich aufs Land zurückziehen und eine Familie gründen. Ist Jessica Farleigh Ihr richtiger Name, oder haben Sie den für Ihr Gewerbe angenommen?“
„Eigentlich heiße ich Jessica Carlisle.“
„Carlisle, gut. Dann nehmen wir lieber den. Dann wird nicht schon die Ankündigung für unnötigen Wirbel sorgen.“ Die Duchess griff nach ihrer Tasse und nahm einen schicklichen Schluck.
Jessica sank immer mehr in sich zusammen. „Ich … Wenn ich Mark heirate, Euer Hoheit, verspreche ich, mich im Hintergrund zu halten. Sie brauchen mich nicht zu sehen, wenn …“
Die andere stellte ihre Tasse ab. „Wie soll das gehen? Meine Liebe, vielleicht habe ich Ihnen einen falschen Eindruck vermittelt.“ Sie nahm Jessicas Hand. „Bitte entschuldigen Sie meine direkten Worte. Aber von dem Tag an, da Mark mir schrieb, um zu fragen, ob es schicklich wäre, mit Ihnen allein spazieren zu gehen, habe ich Sie als meine künftige Schwester betrachtet. Ich bin ohne Schwestern aufgewachsen, und bislang hat keiner meiner Brüder auch nur die Absicht erkennen lassen, mir diesen Mangel zu nehmen.“
Jessica schlang die Arme um sich und war schier überwältigt von ihren Gefühlen. Eine Schwester . Sie hätte nie gedacht, dass sie noch einmal eine fände.
„Aber es kann nicht Ihr Wunsch sein, dass Mark sich dauerhaft an jemanden mit meiner Reputation bindet.“
„Stimmt“, sagte die Duchess leichthin. „Das war wahrlich nicht mein Wunsch. Aber Sie müssen verstehen, was Mark uns allen bedeutet. Er allein hat mich gelehrt, mich zur Wehr zu setzen. Ohne ihn …“ Sie verstummte kurz und fuhr dann fort: „Er ist einfach ein wunderbarer Mensch. Seine Brüder würden alles für ihn tun. Und daraus folgt, dass wir auch für Sie – zumindest so lange, wie Sie ihm kein Leid zufügen – alles zu tun bereit sind.“
Es war Ewigkeiten her, dass jemand etwas für sie getan hatte.
„Dazu sind Familien da“, schloss die Duchess.
Zum ersten Mal begann Jessica daran zu glauben, dass es wahr werden könnte. Vielleicht könnte sie es schaffen. Könnte Mark heiraten und ihre Vergangenheit hinter sich lassen. Hoffnung … dafür, dass es so ein zartes Pflänzchen war, schien es ihr auf einmal unglaublich lebendig.
„Ich …“, setzte Jessica an, verstummte und sah beiseite. „Ich glaube, jetzt hätte ich doch gern eine Tasse Tee.“
„Aber natürlich“, sagte die Duchess. „Wir müssen auch noch Ihre Aussteuer zusammenstellen – das ist kräftezehrende Arbeit.“
21. KAPITEL
M ark ließ Jessica allein mit Margaret zurück. Als er ging, lag in ihrem Blick die stumme Bitte, dass er bleiben
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