Geliebte Kurtisane
aufzählen, aber wenn Sie die noch nicht selbst entdeckt haben, haben Sie ihn auch nicht verdient. Sie scheinen klug zu sein, aber bislang haben Sie allenfalls den Verstand einer Eidechse erkennen lassen.“
„Einer Eidechse!“
„Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Eidechsen sind kluge Tiere, doch beim ersten Anzeichen von Gefahr werfen sie ihren Schwanz ab und suchen das Weite.“
„Nun, das ist ja lustig“, gab sie zurück. „Mark meinte einmal, ich würde ihn an Sie erinnern.“
„Wirklich?“ Er betrachtete sie nachdenklich, dann lächelte er. „Ich vermute, das war für uns beide nicht als Kompliment gedacht.“
„Sie sind keineswegs der nüchterne, kaltherzige Richter, den ich vor Augen hatte“, sagte Jessica und drohte ihm lachend mit dem Finger. „Ich wurde arglistig getäuscht.“
„Und das, was ich Ihnen jetzt sagen möchte, sage ich nur ein Mal.“ Smites Stimme war auf einmal sehr leise. „Sie werden es vielleicht nicht verstehen, weil Mark es nicht wahrhaben will. Nichts wünschen wir uns lieber, als Sie zu mögen – und dass Sie uns mögen. Hätte ich eine Frau, die einem von uns verleidet wäre, es würde hier …“, er machte eine vage Geste, die das gesamte Haus zu umschließen schien, „kaum einen Unterschied machen. Anders bei Mark. Es wäre ganz und gar unmöglich, kaum auszudenken, wenn seine Frau mich nicht mögen würde. Mark hält uns alle zusammen.“
Kurz begegnete Smites Blick dem ihren, dann sah er wieder beiseite. Sie hatte keine Ahnung, was sie darauf erwidern sollte, doch wusste sie genau, was er meinte. Fast meinte sie, Mark vor sich zu sehen, wie er sie anlächelte und in aller Unschuld meinte, dass er sich eigentlich ganz gern möge. Natürlich tat er das, und auch alle anderen mochten ihn.
„Zudem“, sagte Smite, und seine Stimme änderte sich kaum merklich, „verwalte ich den Fonds, den Mark für Sie angelegt hat. Ich könnte kaum Ihr Treuhänder sein, wenn Sie mir nicht vertrauten.“ Er lächelte. „Alles Teile meines großen Plans, Ihnen Ihre Zweifel zu nehmen.“
„Was das angeht …“, begann Jessica, dann aber hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie schaute sich um – und sprang sogleich auf mit einem scharrenden Laut, der sie wenig erfreulich an huschende Mäusepfoten erinnerte.
„Ich wollte Ihnen keinen Schreck einjagen.“ Die Frau, die nun in der Tür stand, trug dunkelgrüne Seide unter einem Überkleid aus schwarzer Spitze. Ihr Haar war in weiche Locken gelegt, und sie musterte Jessica aus großen, wachen Augen.
„Margaret“, sagte Smite. „Mrs Farleigh. Ich gehe jetzt mal, damit ihr unter vier Augen reden könnt.“
„Ich …“ Jessica biss sich auf die Zunge. Was sollte sie denn sagen? Bitte, bitte, gestrenger Herr Richter, lassen Sie mich nicht allein. Ich habe Angst vor einer anderen Frau.
„Du kannst ruhig bleiben“, sagte die Duchess und betrat den Salon.
Smite schüttelte den Kopf. „Nein, meine Teure“, erwiderte er. „Das würde ich niemals wagen.“ Mit diesen wunderlichen Worten verschwand er.
„Setzen Sie sich doch wieder.“ Sie klopfte neben sich aufs samtene Polster.
Jessica nahm wieder Platz, so weit entfernt, wie es nur ging.
„Sie sollten mich Margaret nennen.“
„Euer Hoheit“, sagte Jessica.
Marks Schwägerin ging nicht weiter darauf ein, hob nur leicht die Brauen. „Nun, Sie müssen Jessica sein. Mark hat mir von Ihnen geschrieben. Sowie ich hörte, was hier los war, kehrte ich zurück in die Stadt. Nie zuvor habe ich ihn in einer solchen Lage erlebt, müssen Sie wissen.“
„Es tut mir leid …“
Die Duchess of Parford winkte ab. „Mein Gemahl würde Ihnen jetzt raten, sich in Gesellschaft nie zu entschuldigen. Man wird es als Einladung sehen, über Sie herzufallen.“
Schweigend saßen sie da. Jessica hielt ihre Knie umklammert. Als ein Diener den Tee brachte, wandte die Duchess sich ihr wieder zu.
„Nehmen Sie Sahne? Zucker?“ Sie war die perfekte Dame. Sie war auf die Welt gekommen, um Rang und Namen zu haben, um bestmöglich verheiratet zu sein. Jessica hätte gern gewusst, weshalb die Herzogin so höflich zu ihr war. „Nein, danke. Ich … möchte keinen Tee.“
„Kaffee? Schokolade? Ich lasse Ihnen bringen, was immer Sie wollen.“
Apfelschnaps käme wohl kaum infrage, dachte Jessica und schüttelte den Kopf. Die Duchess goss sich Tee ein. „Natürlich hatte ich noch einen viel besseren Grund, nach London zurückzukehren. Ich wollte die Frau kennenlernen, die Mark
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