Geliebte Kurtisane
Margaret ihr versichert, dass sie umgehend die Verlobung bekannt geben wollten und die Hochzeit in den nächsten Tagen stattfinden solle. Ihr schwirrte noch immer der Kopf.
Nie hätte sie sich träumen lassen, dass es so viele gute Menschen gab, die bereit waren, ihr zu helfen. So grausam das Schicksal ihr in der Vergangenheit auch mitgespielt hatte – das würde es ihr nicht nehmen können. Diesmal nicht. Sie saß in ihrem Sessel und fühlte sich von Wärme, Freundlichkeit und Liebe erfüllt.
Da klopfte es an die Tür.
In freudiger Erwartung sprang sie auf. Doch nicht Mark war es, der vor der Tür stand, sondern Nigel Parret. Ihr erster Gedanke war, dass er gekommen war, um ihr zu gratulieren – und ihr eine Einladung zur Hochzeit abzuschmeicheln, um mit exklusiver Berichterstattung sämtliche Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Aber nein, das konnte nicht sein. Obwohl alle Zeitungen, einschließlich Parrets Blatt, darüber berichtet hatten, dass Mark eine Sondererlaubnis zum Heiraten erworben hatte, so war ihr Name nicht genannt worden. Als sie seine grimmige Miene sah, war es mit allen glücklichen Gedanken rasch vorbei.
Er reichte ihr einen Brief. „Der hat mich heute erreicht. Nachdem ich Ihre Geschichte veröffentlicht hatte, ging der Absender wohl davon aus, dass ich Ihren Aufenthaltsort wüsste.“
Der Umschlag war geöffnet. Als sie ihn misstrauisch ansah, zuckte er nur die Schultern. „Können Sie es mir verdenken?“, fragte er.
Ihr Name stand quer auf dem Kuvert. Nein, nicht ihr Name – Jess Farleigh stand da.
Der Name legte sich wie ein dunkler, kalter Schatten auf sie. Rasch überflog sie den Brief.
Jess,
wahrscheinlich bist du gerade ziemlich stolz auf dich. Wir hatten eine Absprache, und du hast mich betrogen. Selbst wenn diese Sonderlizenz bedeutet, was ich glaube, dass sie bedeutet, ändert es nichts daran, dass du Mark Turner verführt hast. Dennoch scheinst du anzunehmen, ihn einfach heiraten und einen Platz an seiner Seite und in der Gesellschaft einnehmen zu können.
Aber ich weiß, wer du bist und was du getan hast. Wenn du Sir Mark heiratest, werde ich euch beiden das Leben zur Hölle machen. Wie ich höre, befindet sich die Duchess of Parford in anderen Umständen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie noch gut auf dich zu sprechen sein wird, wenn ihr Kind erst deinetwegen in der Gesellschaft gemieden wird.
Kurzum: Du wirst ihn nicht heiraten. Niemals. Aber wenn du öffentlich aussagst, dass er es war, der mich im Park angegriffen und sich wegen einer Hure mit mir geprügelt hat, versichere ich dir, dich nicht wegen Betrugs zu belangen. Wir treffen uns morgen früh um Punkt fünf Uhr am Harford Square. Und bring Sir Marks Ring mit, den brauche ich.
Als Jessica am Ende der ersten Seite angelangt war, zitterte das Blatt in ihren Händen. Als sie den Brief ganz gelesen hatte, fröstelte sie.
„Ein starkes Stück, was?“, meinte Parret. „Aber seien Sie froh, dass er in meine Hände gelangt ist. Ich werde die Geschichte nicht drucken, versprochen.“
„Das ist sehr nett von Ihnen.“ Ihre Worte waren kaum mehr als ein tonloses Flüstern.
„Hmmm.“ Parret fühlte sich sichtlich unwohl. „Der Duke würde mich der Verleumdung bezichtigen. Daraus ist kein Profit zu schlagen.“
Jessica lächelte müde. „Sie geben sich wahrlich Mühe, den skrupellosen Reporter zu geben, Mr Parret. Trotzdem, danke. Aber könnten Sie mich jetzt wohl allein lassen?“
Er legte ihr in unbeholfener Geste die Hand auf die Schulter, was sie indes kaum zu trösten vermochte. Dann ging er.
Als sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, ließ Jessica sich gegen sie sinken.
Nichts hatte sich geändert, gar nichts. Das war ihr eben wieder vor Augen geführt worden.
So war das mit dem Überleben. Eine ständige Angst begleitete sie, fortwährende Befürchtungen. Die Sorgen nahmen kein Ende. Nie war sie wirklich entspannt, spürte immer diese tief sitzende Angst. All das war nicht neu, all diese Bedenken und Ahnungen waren während der letzten sieben Jahre ihre steten Begleiter gewesen.
Doch sie hatte gehofft … Heute hatte sie den Mut gefasst, daran zu glauben, dass all das hinter ihr läge. Aber nein. Die alte Furcht lag ihr wie ein bitterer Geschmack auf der Zunge.
Mark war ein so wunderbarer Mensch, das Beste, was ihr je hatte passieren können. Er war gar noch besser, als sie zunächst gedacht hatte. So gut, dass er ihr Angst machte. Wie hatte sie es vergessen können? In ihrem Leben
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