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Geliebte Kurtisane

Geliebte Kurtisane

Titel: Geliebte Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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mitfühlend und ging nach oben.
    In ihrem Zimmer, während das Mädchen ihr das Haar zu einem strengen Knoten aufsteckte, fragte sie sich erneut, was das alles sollte. Sir Mark mochte sie. Das überraschte sie nicht; Männer fanden nun einmal Gefallen an ihr, daran war sie gewohnt.
    Aber er war nicht wie andere Männer. Nicht dass er gleichgültig wäre, keineswegs. Doch sosehr er auch bekundete, sich zu ihr hingezogen zu fühlen, hatte er all ihre Avancen zurückgewiesen. Was sollte das? Was war los mit ihm? Kein Mann hatte sich je so aufgeführt. Wenn er nicht mit ihr ins Bett wollte, was wollte er dann? Und wenn er wohl mit ihr ins Bett wollte und um der Keuschheit willen verzichtete, weshalb setzte er sich immer wieder der Versuchung aus?
    Als sie nach unten ging, hatte sie nicht eine einzige Antwort gefunden. Und auch er bot ihr keine. Schweigend führte er sie auf einem Weg fort vom Wasser. Erst hörte man noch von fern die Maschinengeräusche der Tuchfabrik, schließlich waren sie einzig von Natur umgeben. Still war es trotzdem nicht; der Wind raschelte im Laub, Bienen summten, Vögel zwitscherten.
    Es ging einen Hang hinauf, über einen Zauntritt und eine Weide, auf der dicht purpurfarbene Disteln standen, die unter den Sohlen ihrer Stiefel leise knirschten. Er schien einem Pfad zu folgen, wo keiner war. Sie schritten auf einmal bergab, überquerten auf einem Holzsteg einen Bach und stiegen auf der anderen Seite wieder bergauf.
    „Ich hoffe, Sie kennen den Weg“, sagte sie, nachdem sie über den vierten Zauntritt geklettert war.
    „Ja, wir gehen hinauf zum Friar’s Oven. Es ist nicht mehr weit.“
    „Friar’s Oven“, sinnierte sie. „Das klingt entweder sehr bedrohlich oder sehr delikat.“
    Sie liefen über eine sanft abfallende Kuhweide, von der aus der Blick bis an den blauen Horizont reichte.
    „Weder noch“, sagte er. „Sehen Sie nur, diese Kühe haben die beste Aussicht in ganz Somerset.“
    Kurz darauf erreichten sie erneut die Anhöhe. Im Gras lagen große Gesteinsbrocken, die in der Morgensonne rosig-golden schimmerten. Und noch mehr Gestein. Irgendwann war unter ihren Schuhen nichts als blanker Fels, der immer zerklüfteter wurde und schließlich steil zu ihren Füßen abfiel. Am Rand der Klippe blieben sie stehen. Vor ihnen erstreckte sich ein weites Tal, in der Ferne meinte Jessica, das blaue Schimmern des Flusses zu sehen.
    Im Tal hingen noch morgendliche Nebelschwaden, durch die nur schwach das satte Grün der Wiesen drang. Aus dem Dunst erhob sich ein seltsam symmetrischer Hügel, grasbewachsen und mit sanft gewellten Terrassen. Ganz oben auf der Kuppe stand ein gemauerter Turm.
    „Das“, sagte Sir Mark hinter ihr, „ist Glastonbury Tor.“
    Und was sollte das sein? Wind wehte aus dem Tal herauf, ließ ihre Röcke sich bauschen und zerrte an ihrem Haar. Eine Strähne flatterte ihr ins Gesicht.
    „Wie finden Sie es?“
    „Wozu dient das? Ist es ein Wehrturm? Oder eine heilige Stätte?“
    Sir Mark stellte sich neben sie. „Es heißt, König Artus sei in Glastonbury begraben.“
    Sie wandte sich zu ihm um. „Wirklich?“
    „Aber ja. Königin Guinevere starb in Amesbury. Bei Neumond soll die Straße zwischen Shepton Mallet und Glastonbury von den Fackeln ihres Trauerzugs erhellt sein.“ Er deutete hinab in den Nebel, wo vermutlich besagte Strecke verlaufen sollte.
    „Natürlich.“
    „Doch, wirklich. Mein Bruder und ich haben uns als Kinder mal nachts hierhergeschlichen, um es uns anzusehen. Leider sind wir eingeschlafen.“ Er grinste verschmitzt. „Bestimmt ist sie just in dem Augenblick an uns vorbeigezogen.“
    Jessica hatte die letzten Jahre fast ausschließlich in London gelebt. Nie hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, wie neu doch alles in der Stadt war. Keine zweihundert Jahre war das Große Feuer her, nachdem man fast alles wieder hatte aufbauen müssen. Moderne Häuser, neues Gemäuer. Aber hier lag etwas geradezu Archaisches in der Luft. Steine, die vor Jahrhunderten aufeinandergesetzt worden, Viehweiden, die einst Schlachtfelder gewesen waren – zu einer Zeit, da das Fundament ihres Londoner Hauses noch nicht einmal gelegt war.
    „Es heißt auch“, sinnierte Sir Mark weiter, „dass es regnen wird, wenn man Glastonbury Tor sehen kann.“
    Das alte Gemäuer erstrahlte in der Sonne, jeder Stein und jede Fuge präzise ausgeleuchtet. An einem so herrlichen Tag wollte sie nicht mal an Regen denken . „Schade“, seufzte sie. „Und was, wenn man den Turm

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