Geliebte Kurtisane
ihrer Haut.
Ihm stockte der Atem, als sie seine Hand ergriff.
„Ich hasse Sie nicht“, flüsterte sie.
„Oh.“ Er ließ seinen Daumen auf ihrem Handgelenk kreisen, senkte die Stimme. „Oje.“ Und dann zog er sie an sich.
Ihr blieb kaum ein Moment, ihm in die Augen zu sehen, seinen Anblick, seinen Duft in sich aufzunehmen. „Sir Mark?“, sagte sie mit auf einmal bebender Stimme.
Seine Lippen fanden die ihren.
Es war kein leidenschaftlicher Kuss. Es war auch kein raffinierter Kuss. Es war einfach nur sein Atem auf ihrer Haut, seine Lippen, so sanft und zärtlich auf den ihren. Allerdings war es auch kein zögerlicher Kuss.
So oft war sie in ihrem Leben geküsst geworden, dass sie geglaubt hatte, die Sprache der Lippen zu kennen. Letztlich war ein Kuss nichts anderes als eine Konversation, aus der sich eine überschaubare Anzahl an Möglichkeiten ergab. Ein Kuss konnte ein Angebot sein oder eine Einladung, der Auftakt eines Geschäfts oder, in seltenen Fällen, dessen Abschluss. Küsse waren wie Geld – sie waren ein Zeichen des Besitzes.
Zumindest sollte es so sein. So hatte sie zumindest geglaubt, dass es sei.
Doch sein Kuss stellte keine Forderungen. Ganz sacht nur umfingen seine Finger die ihren, streiften seine Lippen die ihren. Er nahm sie nicht in Besitz. Was sollte sie davon halten? Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm. Ja, schlimmer noch – sie wurde nicht schlau aus sich, aus dieser seltsamen Melange aus Furcht und Verlangen, Anziehung und Abwehr, die in ihr war.
Er nahm seinen Kopf zurück, suchte ihren Blick.
Ein anderer Mann hätte ein solches Verhalten als bloße Laune abgetan, der keine Bedeutung beizumessen sei. Er rechtfertigte es nicht, er machte auch keine Versprechungen. Sir Mark atmete tief aus und löste seine Hand aus der ihren. „Sehen Sie? Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Sie mag.“
Seine Worte hingen zwischen ihnen in der Luft, luden sie auf mit jedem Atemzug.
So war das also mit diesem Kuss. Kein Handel, kein Zeichen des Besitzes, sondern eines der Zuneigung, frei von allen Hintergedanken. Nie zuvor war sie aus bloßer Zuneigung geküsst worden. Kaum merkte sie, was sie tat, als sie sacht mit der Hand ihre Lippen berührte, sich ihrer eigenen Haut vergewisserte, auf der sie noch immer ihn zu spüren meinte. Aber da war nichts. Nur in ihr dieses Gefühl, so unvertraut und doch so willkommen.
Sie mochte ihn.
Oje. Das war keine gute Idee. Was sollte sie mit diesem Gefühl anfangen? Sollte sie es im Keim ersticken oder es ermutigen zu wachsen? Die ganze Zeit hatte sie nur darüber nachgedacht, was er von ihr wollte, nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was sie selbst wollte.
Sie wandte sich um und ließ den Blick über das Tal schweifen, hinüber zum Glastonbury Tor. Sonne und Wind hatten den Nebel vertrieben, nur in der Talsohle waberten noch dünne Schwaden über dem Grün. Der Turm strahlte im hellen Sonnenschein. Aber es würde regnen, so hatte er gesagt.
Aber wann tat es das nicht?
„Und was wollen Sie tun, Sir Mark, wenn Sie Ihrer Guinevere begegnen und sie schon einem anderen gehört?“
Seine Antwort ließ so lange auf sich warten, dass sie sich schließlich umwandte, um sich zu vergewissern, ob er sie überhaupt gehört hatte. Sein Blick begegnete dem ihren. Sie hatte geglaubt, seine Augen wären blau, nun gerade schienen sie gewittergrau.
„Darüber mache ich mir keine Sorgen“, erwiderte er ruhig. „Nicht im Geringsten.“
Spät am Abend, die Uhr schlug gerade elf, lag Jessica in ihrem Bett – allein und mit nichts als einem dünnen Leinenhemd am Leib.
Es war lange her, dass sie zuletzt Verlangen empfunden hatte. Es war ihr wohlvertraut, doch zu einer praktischen Notwendigkeit geworden, die dem Überleben diente und ihre Arbeit erleichterte. Aber nichts konnte das Schöne schneller schal werden lassen, als es für Bezahlung zu leisten.
Im Lauf der letzten sieben Jahre waren ihre eigenen Wünsche und Begierden untergegangen im Dienste an diversen Männern. Ewigkeiten war es her, dass sie Herrin über ihren eigenen Körper war.
Nein, es war nicht klug, was sie jetzt tat.
Ihn zu verführen war das eine, etwas ganz anderes war es, sich selbst in Versuchung zu bringen, ihr Herz zu narren und nicht mehr allein nach seiner Verführung, sondern nach ihm zu trachten. Trotzdem, sie konnte nicht anders, als in Gedanken immer wieder zurückzukehren zu jenem Kuss. Jenem Moment ungläubigen Staunens, als er ihr in die Augen geblickt und leise
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