Geliebte Kurtisane
aus, tastete nach der seinen. Er hielt sie fest.
„Du bedarfst meiner Vergebung nicht.“
„Nein?“ Er verschränkte seine Finger mit den ihren. „Dann sag mir, warum ich den Moment, da ich dich verlassen habe, immer wieder durchlebe, mit all seinen Schrecken? Sag mir, warum es mich hier schmerzt“, er hob ihre Hand an seinen nassen Rock, drückte sie fest an sein Herz, „wann immer ich daran denke, wie ich von dir gegangen bin. Erkläre mir, wie ich jemals dein Vertrauen verdient hätte, wenn mir nicht mal deine Vergebung gegönnt ist.“
„Du bedarfst meiner Vergebung nicht“, wiederholte sie. „Dir war von dem Tag an vergeben, da du mir deinen Rock geliehen hast. Wahrscheinlich war ich schon damals auf dem besten Wege, mich in dich zu verlieben.“
Während sie sprach, legte er ihr die Hand auf den Rücken und zog sie an sich. Wenn sie ganz, ganz still war, meinte sie, ihren Herzschlag zu hören, das stete Pulsieren ihres Blutes. Es konnte die Stille aber nicht ausfüllen. Eher war es der Auftakt einer Symphonie, leise und gedämpft, während das Orchester auf seinen Einsatz wartete. Sie grub ihre Finger in seinen Rock. Sie spürte, wie sein Körper sich anspannte, wie er sich ihr zuneigte.
Und dann küsste er sie. Schon dieser leichte Vorgeschmack überwältigte ihre Sinne, ein tiefes Begehren erfasste sie. Sie spürte seine nassen Kleider an ihrem Leib, und auch seine Lippen waren kalt. Doch sie wurden wärmer. Sie schmeckte Regen, danach seinen Mund. Mit diesem Kuss erweckte er sie wieder zum Leben. Ihr Verlangen ließ sich nicht länger leugnen. Sie wollte eindeutig mehr als nur überleben.
Er war ihr ein Bedürfnis, eine Notwendigkeit geworden – sie wollte nicht mehr ohne ihn sein. Und das war erschreckender als alles, was ihr je widerfahren war. Jeden Augenblick wartete sie nur darauf, dass er sie von sich weisen würde. Er könnte sie zerstören, mit Freundlichkeit ebenso wie mit grausamen Worten. Seine Liebkosungen waren so zärtlich, dass sie hätte aufschreien mögen. Jede Berührung seiner Lippen fühlte sich an wie ein freier Fall.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie am Boden aufschlüge.
Sie spürte ihn nach den Haarnadeln tasten und sie eine um die andere herausziehen, bis ihre regenfeuchten Locken ihr schwer den Rücken hinabfielen. Er vergrub seine Hände in ihrem Haar und atmete tief auf.
„Oh, Jessica.“ Er ließ seine Stirn an ihre sinken. „Du hättest aller Welt verkünden sollen, was für ein Heuchler ich bin. Ich glaubte, dir erklären zu müssen, wie männliche Unkeuschheit und Laster den Frauen schadeten, und konnte oder wollte doch nicht sehen, welchen Schaden es dir bereitet, wie sehr es dich verletzt hatte. Und nun sag nicht, ich bedürfte deiner Vergebung nicht.“
Damit war es beinah um sie geschehen. Er war so nah, so verletzlich. So gut. Mit klammen, unbeholfenen Händen tasteten sie im Dunkeln und hatten doch Angst, einander zu finden.
Jessica öffnete ihren Umhang und streifte ihn ab. Schwer glitt das nasse Tuch ihr von den Schultern. „Mark“, sagte sie. „Ich wollte dir nie ein Leid zufügen.“ Ihre Stimme bebte. „Was immer du von mir willst, ich werde es dir geben. Mit Freuden.“
„ Das will ich.“ Seine Arme schlossen sich um sie. Sein Rock durchnässte ihr Kleid. Es kümmerte sie aber nicht, nicht jetzt, als sein Mund abermals den ihren suchte, sein Körper sich fest an den ihren drängte. So wild entschlossen schien er, und doch brauchte sie ihm nur sanft die Hand an die Brust zu legen, und schon hielt er inne, wich er zurück. Nein, er würde ihr nicht wehtun. Nicht heute. Nicht jetzt.
Aber was war mit morgen?
Jessica schüttelte den Kopf, als wolle sie sich freimachen von solchen Sorgen. Ganz gab sie sich seinem Kuss hin. Nichts zählte mehr, nur das Geben und Nehmen ihrer Lippen, ihrer Zungen. Kurz zog sie sich zurück, suchte in der Finsternis den Weg und führte ihn zum Sofa im vorderen Zimmer. Sie sanken darauf nieder, und dann küsste er sie wieder, beugte sich über sie. Die Kälte ihrer Kleider legte sich feuchtwarm auf ihre Haut.
Mit beiden Händen umfing er ihr Gesicht. Er hielt sie, als wäre sie ihm das Wichtigste, Kostbarste der Welt. Heute Nacht mochte es wohl so sein. Und sie wollte es auskosten, solange es dauerte.
Die Knöpfe seines Rocks drückten hart gegen ihren Leib. Sie öffnete sie, erst ganz in Gedanken, schließlich mit festem Vorsatz. Er hielt nur kurz inne, um sich seines Rocks zu entledigen, dann fand er
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