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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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ist. Nur in den dunklen innersten Gemächern des Tempels, der später als Kloster gedient hatte - in denen fanden wir Schutz vor dem Toben der Naturgewalten.
    Und nun rasch wieder einsteigen, bitte, denn bis Dendera ist es noch weit, und wer weiß, ob wir noch rechtzeitig hinkommen! Und? Sind wir noch rechtzeitig nach Dendera gekommen? Nun, eigentlich nicht. Die Sonne war schon nahe daran unterzugehen, und der Tempel war an sich bereits zu. Aber die Wärter waren zum Glück noch da, und mit Hilfe eines kleinen Bakschischs ... Ja, also ein liebes, süßes Sonderbakschisch öffnete uns tatsächlich in allerletzter Minute den Tempel von Dendera, einen der jüngsten Ägyptens überhaupt, denn er stammt aus der griechischen und römischen Epoche. In ihm residierte, wie gesagt, die Liebesgöttin Hathor, und ihr Gemahl war der Gott Horus von Edfu, dessen Tempel wir in wenigen Tagen besichtigten sollten; und einmal im Jahr fuhr sie, das heißt, die Kultstatue der Hathor, auf einem Schiff nach Edfu, um ihn für vierzehn Tage zu besuchen, und einmal im Jahr besuchte er sie für vierzehn Tage in Dendera, und der Tag der Ankunft wurde von den Menschen jedesmal als das 'Fest der schönen Umarmung' gefeiert; so nannte es Myriam, und ich weiß nicht, wie's die anderen verstanden haben, aber gemeint war doch sicherlich das Fest der schönen ehelichen Umarmung, meint ihr nicht auch? Aber, so Myriam, Hathor war nicht nur die Göttin der Liebe, sondern auch der Ausgelassenheit, der Berauschung, der Betrunkenheit, und auch dieser Aspekt ihrer Göttlichkeit wurde gefeiert in einem jährlichen 'Fest der Betrunkenheit der Herrin von Dendera', bei dem der König tanzend einen Krug, voll des süßen Weines, zur Göttin trug.
    Für diesen perfekt erhaltenen Tempel nahm sich Myriam nun viel mehr Zeit als für die in Abydos, denn nun drängte uns ja nichts mehr, und daß es jetzt rasch finster wurde, störte überhaupt nicht; denn im Innern des Tempels war's so und so finster, und kluges Mädchen oder Frau mit Erfahrung, die sie war, hatte sie von vornherein eine Taschenlampe mitgenommen. Und als wir schließlich wieder herauskamen, da war's schon richtig Nacht. Aber jetzt hatten wir nur noch etwa eine Stunde Fahrt vor uns. Die war nun natürlich vergleichsweise langweilig; praktisch das einzige, was zu sehen war, waren die zahllosen Moscheen. Die waren nämlich jetzt im Dunkeln mit langen Ketten grüner Lichter illuminiert und wirkten, je nach Betrachtungsweise, entweder wie Erdölraffinerien oder wie Königsschlösser im Disneyland. Da es jetzt eh nichts mehr zu erklären gab und mir das Sitzen neben der Myriam, ehrlich gesagt, inzwischen schon reichlich unbequem geworden war und weil mir außerdem die nächtliche Fahrweise der Ägypter immer noch ungewohnt und unangenehm war - sie fahren nämlich, stellt euch vor, in der Regel ohne Licht und blenden nur in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen, so genau kann ich das nicht sagen, auf, das heißt, sie schalten jedesmal kurz das Fernlicht ein -, setzte ich mich jetzt lieber doch wieder auf meinen eigenen Platz neben Götzi. Überdies war's mir ein gewisses Bedürfnis, wieder einmal ein wenig mit ihm zu plaudern, und ganz speziell war ich einigermaßen neugierig, welche Fortschritte er inzwischen mit der Lydia gemacht hatte; es war mir nämlich nicht verborgen geblieben, wie sehr er sich heute um sie bemüht hatte. Mit meiner Neugier rannte ich übrigens offene Türen ein, denn er schien schon richtig danach zu brennen, mich in seine bisherigen Erfolge und vor allem in seine Pläne einzuweihen.
    Zunächst also in seine Erfolge. Wie sahen die aus? Nun, die Lydia sei wahnsinnig lieb, und er habe berechtigten Grund zur Annahme, daß auch sie ihn einigermaßen sympathisch finde, aber sie sei halt sooo zurückhaltend ... Wahrscheinlich sei sie letztlich noch schüchterner als er und müsse irgendwie überrumpelt werden oder so. Und daher nun sein Plan, und der könne nur funktionieren, wenn ich aktiv mithelfe. Da er mich aber inzwischen als netten Kerl kennengelernt habe, zweifle er nicht, daß ich ihn nicht hängenlassen würde. Nein, nein, versicherte ich ihm sofort hoch und heilig, auf keinen Fall würde ich ihn hängenlassen. Nur: was könne ich für ihn tun? Und jetzt fand dann eben meine Einweihung in den Plan, den er ausgeheckt hatte, statt, und zwar mit stark gedämpfter Stimme, damit die hinter uns ja nichts hören sollten - obwohl unser klappriger Bus eh so viel Lärm produzierte,

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