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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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keiner, und es werden sicher von Jahr zu Jahr mehr. Und wenn sie ihr Ziel, Ägypten zu einem zweiten Iran zu machen, erreichen, dann geht's uns Christen an den Kragen, das sag' ich Ihnen! Dann können wir nur eins: zusammenpacken und zu Ihnen nach Europa flüchten. Falls ihr in Europa uns noch nehmt. Man hört ja neuerdings Schauergeschichten über Fremdenfeindlichkeit in Europa. Aber ich weiß von genügend christlichen Ägyptern, die jetzt schon vor den Fundamentalisten ins Ausland geflohen sind, weil sie um ihr Leben fürchten mußten. Ist das nicht schrecklich? Wir Christen haben Jahrhunderte vor den Moslems die Kulturlandschaften des Niltals bewahrt und dabei mit unseren Nachbarn stets in Frieden gelebt! Warum trachten sie uns jetzt nach dem Leben?'
    Er hatte sich in eine echte Erregung hineingesteigert, und mir wurde, während ich seiner Tirade zuhörte, abwechselnd heiß und kalt, erstens, weil ich seine Sorgen und Ängste so richtig mitempfinden konnte, und zweitens, weil ich mich quasi stellvertretend für die neuaufgeflammte Fremdenfeindlichkeit bei uns schämte. Um ihm mein Mitgefühl zu zeigen, murmelte ich betroffen: 'Ist es wirklich so schlimm?'
    'Naja, wie gesagt, wir in Luxor sind glücklicherweise noch etwas besser dran, aber sonst ist es teilweise wirklich so schlimm.' Nun fixierte er mich und sagte: 'Wissen Sie eigentlich, warum ich mich um Sie schon solche Sorgen gemacht habe?' Und er gab auch gleich selber die Antwort: 'Weil heute schon wieder so ein Anschlag verübt worden ist! Und wissen Sie, wo?'
    'Ja, das weiß ich, denn eben dadurch haben wir einen Mordsstau gehabt und haben eine Umleitung fahren müssen: zwischen Assiut und ...'
    '... und Sohag', ergänzte er den Namen, der mir nicht gleich einfallen wollte. 'Und wissen Sie auch, gegen wen der Anschlag verübt worden ist?'
    'Ja, das wissen wir von der Polizei: gegen einen Autobus.'
    'Eben. Und jetzt können Sie sich sicher auch denken, warum ich da so besorgt um Sie war, nachdem das im Fernsehen gemeldet worden ist! Wissen Sie übrigens, was genau passiert ist?'
    'Nein, das haben sie uns nicht verraten.'
    'Na, stellen Sie sich vor: die Täter halten einen Bus auf, holen die zwei mitfahrenden Polizisten und einen von den Fahrgästen heraus und erschießen sie vor den Augen der anderen. Anschließend nehmen die Terroristen den getöteten Polizisten die Waffen ab und können unbehelligt entkommen. Na, was sagen Sie jetzt?'
    Ich konnte eine Zeitlang gar nichts sagen, so geschockt war ich. Dann sagte ich lapidar: 'Unsere zwei fahren im eigenen Auto mit.'
    'Ah, das ist natürlich viel besser! Da haben Sie aber eine großzügige Agentur!'
    'Ja, ich habe auch sonst den Eindruck, daß sie sich sehr bemüht. Wie es übrigens aussah, führt die Polizei eine Riesensuchaktion nach den Tätern durch.' Und ich beschrieb ihm unsere Erlebnisse in Assiut.
    'Soso', meinte er daraufhin und wiegte skeptisch seinen Kopf hin und her. 'Also, bisher haben die noch nie einen gefunden!'
    'Soso', sagte jetzt ich und meinte damit: Also, das kommt mir irgendwie bekannt vor.
    'Ja, ja, und wissen Sie, welchen Verdacht ich habe? Daß die mit den Fundamentalisten unter einer Decke stecken! Nicht alle natürlich, aber einige bestimmt!' Er blickte auf die Uhr. 'Aber ich halte Sie hier mit meinen Sorgen auf, und inzwischen verhungern Sie wahrscheinlich schon! Marsch, zum Abendessen mit Ihnen, ja? Und vergessen Sie mir bitte nicht, Ihrer Gruppe meinen Laden zu empfehlen! Und sagen Sie ihnen, daß nach dem Abendessen noch offen ist, ja?'
    Gut, das versprach ich ihm, und dann schaute ich, daß ich hier wegkam; denn was er da übers Verhungern gesagt hatte, kam der Realität verblüffend nahe. Außerdem wartete vielleicht der Götzi schon wie auf Nadeln; schließlich hatten wir heute ja noch was vor. Also sauste ich zur Rezeption zurück, schnappte meinen Koffer, der noch einsam und verlassen herumstand, und machte mich auf die Suche nach dem Zimmer, das ich mir selber verordnet hatte. Nun, der Götzi wartete zwar noch nicht auf Nadeln, war aber bereits geschniegelt und gestriegelt und erklärte, er wolle gleich zum Abendessen gehen, um die Lage unter Kontrolle zu halten; außerdem habe er schon einen Hunger, und der sei nicht von schlechten Eltern.
    Nun, das war zwar der meinige auch nicht, aber was half's? Wenn ich heute noch ... naja, wenn ich ihm halt bei seinem heutigen Vorhaben Schützenhilfe leisten sollte, dann mußte ich mich nach diesem langen und anstrengenden Tag, noch

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