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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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wir uns auf den Weg. Unterwegs fiel uns aber auf, daß die Straßen wie ausgestorben waren; das waren sie gestern um die Zeit nicht gewesen. Und wir wußten auch bald des Rätsels Lösung. Als wir nämlich an die Stelle kamen, wo man einen ungehinderten Blick über den ganzen Luxor-Tempel hat, sahen wir, daß der Platz vor der in ihn hineingebauten Moschee angefüllt war mit langen Reihen von Gläubigen, die mit hochgerecktem Hinterteil auf dem Boden lagen; das heißt, zuerst kannten wir uns nicht recht aus, weil wir nur die langen Reihen von Hinterteilen sahen, aber dann standen die Gläubigen, alle auf einmal, wieder auf, hielten ihre Hände an die Ohren und stimmten in ein lautgesprochenes Gebet ein - jedenfalls klang's wie ein Gebet. Da griff sich Myriam an den Kopf und rief aus: 'Ah, heute ist ja Freitag! Und der Freitag ist ja der Sonntag der Moslems. Noch dazu ist es ein Freitag im Ramadan, und da besuchen die Gläubigen noch fleißiger als sonst die Moschee. Na, ob da unser Antiquitätenhändler in seinem Laden sein wird?'
    Das klang relativ skeptisch, und sie hatte, wie sich gleich herausstellen sollte, mit ihrer Befürchtung vollkommen recht: der Laden war zu, und ich war heute schon zum zweiten Mal umsonst hergekommen. Na, wenigstens war ich diesmal in angenehmer Begleitung hergekommen, sehr angenehmer sogar und doppelter noch dazu. Aber nach dem Abendessen werde er bestimmt wieder im Laden sein, versicherte mir Myriam, und sie werde uns dann sehr gern noch einmal begleiten. Also gut, das war ein gewisser Trost, und außerdem hatten wir jetzt dafür ein bißchen Gelegenheit, den Gläubigen beim islamischen Gottesdienst, oder wie man das da nennt, zuzuschauen, und vor allem meine süße Lydia fand das hochinteressant.
    Inzwischen stand die Sonne schon recht niedrig, und die zerklüfteten Felswände der Berge am westlichen Horizont mit ihrem ungeheuren Mausoleum in ihrem Innern erhoben sich hinter dieser phantastischen Szenerie mit dem riesigen altägyptischen Tempel und der kleinen islamischen Moschee und den wohlgeordneten Reihen der betenden Gläubigen wie eine purpurrote Kulisse, wobei das Purpurrot zusehends ins Schwarz überging - ein Bild von unglaublicher Schönheit. Diese Berge im Hintergrund - so Myriam, die sich offenbar bemüßigt fühlte, uns auch in ihrer Freizeit zu belehren; aber ein Reiseleiter hat genau genommen nie Freizeit - also, diese Berge im Hintergrund nennt man, weil sie am westlichen Nilufer gegenüber von Theben stehen, entweder die Westberge oder das Thebanische Gebirge. Die Sonne schien übrigens gar nicht über diesen Westbergen untergehen zu wollen, wie es sich gehört, sondern noch über dem Fruchtland südlich davon. Ich dachte zuerst an ein kleines Wunder, eventuell wegen des Freitags im Ramadan, aber dann belehrte mich ein skeptischer Blick auf meine Straßenkarte eines Besseren: der Nil fließt bei Luxor nämlich nicht genau von Süden nach Norden, sondern von Südwesten nach Nordosten, und folglich stehen die Westberge gar nicht im Westen, sondern in Wirklichkeit im Nordwesten. Ja, und da wir uns schon denken konnten, was unser Antiquitätenhändler nach dem nun bevorstehenden Sonnenuntergang daheim als allererstes tun würde, warteten wir nicht auf das Ende des Gottesdienstes, sondern wanderten langsam zum Hotel zurück, um uns vor dem Abendessen noch einmal zu erfrischen und schön zu machen, und nachdem diesmal noch genügend Zeit war, machte ich nicht bloß eine Katzenwäsche wie am Vortag, sondern duschte lang und genüßlich - ganz so, als ob ich irgendeine Vorahnung gehabt hätte oder sowas. Aber natürlich tat ich dann bis zur Abholung durch Babsi und Götzi noch was Genüßliches, und meine Lydia auch - aber was, das verrat' ich euch nicht - ätsch!
    Beim Abendessen saß ich dann, wie in Luxor schon gewohnt, am Tisch der Familie Schroll, und natürlich erzählte ich ihnen wieder von meinem Papyrusblatt und auch davon, daß ich gleich anschließend erneut zum Antiquitätenladen pilgern würde, um den verheißenen Papyruscodex entweder käuflich zu erwerben oder, falls er meine Kaufkraft übersteigen sollte, zumindest zu besichtigen und mich an seinem Anblick zu berauschen. Und der Erfolg meiner Erzählungen war, daß, wie ich mich nachher gemeinsam mit Lydia und Myriam auf den Weg machte, plötzlich Clemens und Klein-Barbara vor uns standen und mit verlegenem Grinsen fragten, ob sie uns wieder ein bisserl begleiten dürften. Nun, das durften sie erstens sowieso

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