Geliebte Myriam, geliebte Lydia
müssen während des Tags unterlassen werden: das Essen, das Trinken, das Rauchen, der Haschischkonsum (der nämlich im Islam eine lange Tradition hat und den vom Koran verbotenen Alkoholgenuß ersetzt) und nicht zuletzt auch die sogenannten Freuden der Liebe. Seit dem Morgengrauen hat also unser Fahrer nicht einmal ein Bröserl trockenes Brot angerührt und nicht einen Schluck Wasser getrunken, sein Abendessen aber offenbar den ganzen Tag mit sich herumkutschiert. Erst, wenn's Nacht wird, darf er seinen Hunger und seinen Durst stillen, und wann's soweit ist, wird offenbar ihm und allen anderen Moslems in Kairo durch einen solchen Kanonenschuß mitgeteilt, wie wir ihn gerade gehört hatten.
'Ah', machte Götzi und griff sich an die Stirn, 'vielleicht ist das der Grund, weshalb unser Salam derart ungenießbar war!'
'Ja, siehst du', erwiderte ich nachdenklich, 'das könnte wirklich sein! Obwohl - schau, der Taxler hier hat genauso gefastet wie Salam. Aber war er darum ungenießbar? Ganz im Gegenteil: du hast ja selber erlebt, wie er vor guter Laune direkt sprühte!'
Der Fahrer hatte inzwischen die Tür neben sich aufgestoßen und sich um 90 Grad gedreht, so daß seine Beine im Freien standen. Dabei fiel uns auf, daß es ja gar nicht mehr regnete, und stiegen, um das zu feiern, nun aus dem Auto; schließlich mußte es ja gefeiert werden, daß wir zum ersten Mal Ägypten ohne Regen erlebten! Und was sich jetzt unseren Augen darbot, war einfach toll und überhaupt nicht zu beschreiben: es war inzwischen fast dunkel geworden, aber vor uns erstrahlten die Zitadelle und hunderte Moscheen und die zwei-, drei- oder vierfache Anzahl von Minaretten in einer unglaublichen Pracht weißen und grünen Lichterglanzes. Es war ein traumhafter Anblick - wie ein Märchen aus 1001 Nacht!
Während wir nun wie gebannt dastanden und uns die Augen ausschauten, wurde plötzlich unsere Nase von unverkennbarem Zigarettengestank beleidigt, so daß wir automatisch einige Schritte aus der Gefahrenzone zurückwichen. Ja, ja, jetzt durfte er wieder, unser offenbar nikotinsüchtiger Taxler! Und sobald er eine Zigarette in Rauch und Asche verwandelt und den Stummel in elegantem Bogen von sich geschleudert hatte - die Gefahr eines Waldbrandes war hier in der Wüste ja relativ gering, nicht wahr -, kommandierte er uns ins Wageninnere und setzte die Fahrt fort. Und wenn er vorher schon nicht gerade ein Kind von Traurigkeit gewesen war - der Frohsinn, den er jetzt an den Tag legte, schlug alles bisher Dagewesene. Und indem er uns unentwegt von seiner 'Habíbi' vorschwärmte und sich wieder mehr als einmal zwischen die Schenkel klopfte und sich dabei jedesmal lachend zu uns umdrehte und dazu immer 'áschara - ten' ausrief, machte er auch relativ unmißverständlich klar, welche Art weltlicher Genüsse heute nacht noch seiner harrten.
Aber auch die Stadt selber war, wie sich in Kürze herausstellte, wie ausgewechselt, und das hatte sicher nicht nur das Aufhören des Regens bewirkt. Die Gehsteige waren voll von flanierenden und vor allem schnabulierenden Mannsbildern, teilweise wieder im Nachthemd, hunderte Lokale waren hellerleuchtet und bummvoll, aber wiederum nur von Mannsbildern, und aus allen Lokalen hörte man Fetzen lauter orientalischer Musik - mit einem Wort: die Stadt war auf einmal wie ein einziger Jahrmarkt, allerdings, ich muß es noch einmal sagen, ein Jahrmarkt ausschließlich für Mannsbilder. Die Frauen schienen plötzlich ausgestorben zu sein.
Auch der Verkehr hatte gegenüber Nachmittag enorm zugenommen, und so war's diesmal nichts mit 125, auch nicht mit 100 oder 80; nein, mit bestenfalls 20 Stundenkilometern krochen wir durch die Stadt zurück, und so war's schon halb acht vorbei, als wir ins Hotel zurückkamen. Na, was glaubt ihr, wie seine Äuglein leuchteten, als er die ausgemachten 80 Pfund und dazu noch ein anständiges Bakschisch erhielt! Und was glaubt ihr, wie schnell er anschließend weg war! Das wirkte in der Situation derart komisch, daß wir Tränen lachten, als er sich mit so plötzlicher Hektik von uns verabschiedete und uns zurückwinkte und wir ihm nachwinkten.
3. Teil
Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan
(GOETHE)
Wir gingen dann gleich gemeinsam in den Speisesaal zum Abendessen. Es gab nämlich ein Buffet, zu dem jeder kommen konnte, wann er wollte. Und ein herrliches Buffet war's, mit einer Unzahl europäischer und orientalischer Köstlichkeiten, und wir stießen noch auf das eine ältere Ehepaar, das mich am
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