Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Nachmittag bei der Schlüsselverteilung beschimpft hatte, und zwei von den alleinstehenden älteren Damen - die anderen hatten angeblich schon gespeist -, und diese vier hatten zwar offensichtlich auch schon gespeist, und es war ihnen deutlich anzumerken, daß sie bereits mehr als satt waren, und trotzdem hatte jeder von den vieren noch einen übervollen Teller vor sich stehen und mampfte mit Todesverachtung in sich hinein. Und dazu sah ich auf den zweiten Blick, daß auf jeden von ihnen auch noch ein großer Teller mit - zugegebenermaßen - äußerst appetitlich anzusehendem Salat wartete. Ich überlegte mir schon, ob ich sie nicht lieber an das erinnern sollte, was ich heute früh auf dem Transfer zum Flughafen über Leitungswasser und Salat gepredigt hatte; in ihrem Fall hatte ich ganz offenkundig tauben Ohren gepredigt. Aber dann unterließ ich's doch; am Ende würden sie sich auch darüber beim Bischof beschweren und mich beschuldigen, ich neidete ihnen das bißchen Essen, das sie sich gönnten.
Na, jedenfalls ließen wir uns dadurch selber den Appetit nicht verderben, der Götzi nicht und ich auch nicht. Wir machten uns mehr über die orientalischen Köstlichkeiten her und fanden sie übereinstimmend wirklich über die Maßen köstlich - eigentlich noch viel köstlicher als die europäischen. Vielleicht war das wegen der Musik; ein Orchester mit ganz exotischen Instrumenten berieselte nämlich die Schmausenden mit ebenso exotischer Musik. Ich dachte anfänglich, das sei eben eine Abart von arabischer Musik, aber neugierig, wie ich eben bin - ihr kennt mich ja -, ging ich hin und fragte einen der Musiker, wo sie her seien, und der antwortete, aus Indien. Und jetzt war mir auch klar, wieso diese Musik gar so exotisch klingt, exotischer noch als die arabische.
So, und nach dem Essen? ... sollst du ruhn oder tausend Schritte tun - so heißt's doch, oder? Also, zum Ruhn war's eindeutig noch zu früh, und ein bißchen Bewegung nach dem Essen schadet nie. Und wohin? Na, zu den Pyramiden natürlich, wohin sonst? Und es sind ja wirklich nur ein paar Schritte den Wüstenhügel hinauf, und schon steht man vor der Cheopspyramide! Und ist das nicht ein Traum, dieser Anblick! Alle drei großen Pyramiden sind festlich beleuchtet, sicherlich ebenfalls wegen dem Ramadan, und Massen von fröhlich feiernden Mannsbildern lungern oder flanieren rund um die Pyramiden herum und machen ein Heidenspektakel, nicht zuletzt auch mit ihren Kofferradios. Wenn das die Pharaonen wüßten! Die würden sich bestimmt in der Pyramide umdrehen! Aber halt - ganz falsch! Falls ich mir's richtig gemerkt habe, sind ja die Pyramiden alle schon seit ältester Zeit ausgeplündert, die Pharaonenmumien aus ihnen verschwunden! Also können sie sich in ihnen gar nicht mehr umdrehen, und wenn die heutigen ägyptischen Mannsbilder daneben noch so viel Radau schlagen.
Da hören wir plötzlich, während wir um die Cheopspyramide herumspazieren, über dem Männergeschrei noch ein Gekreische wie von Frauen. Vielleicht von Buben? Nein, das ist eindeutig Frauengekreische. Also gibt's doch auch Frauen, die den Ramadan feiern. Das macht wahrscheinlich die Emanzipation. Aber wieso kreischen die so in einem fort? Unsere Neugier läßt uns keine Ruhe; das Gekreische zieht uns magisch an. Und wie wir näher kommen, wird uns auch klar, daß die nicht nur so zum Spaß kreischen, sondern offenbar aus Angst. Ist es also mit der Emanzipation doch nicht so weit her? Wird man als Frau bedroht, wenn man den Ramadan mitfeiern möchte? Und dann erkennen wir erst die, die da so erbärmlich kreischen: es sind die zwei jüngeren Damen aus meiner Reisegruppe. Und gleichzeitig haben sie uns erspäht und rufen uns um Hilfe.
Naja, so schlimm sah es, bei Licht betrachtet, auch wieder nicht aus; sie waren halt von einer Horde sichtlich beschwingter schwarzlockiger Mannsbilder umringt, die sie höchstwahrscheinlich schlimmstenfalls ein bisserl begrapschen wollten; aber ihr wißt ja, wie empfindlich die Frauen gewöhnlich auf sowas reagieren. Jedenfalls stoben ihre Möchtegern-Verehrer augenblicklich in alle Richtungen davon, als wir unseren Schrei losließen, und unsere zwei Damen taten einen Moment lang so, als würden sie uns vor lauter Erleichterung und Dankbarkeit um den Hals fallen; aber dann ließen sie's zu meinem Bedauern doch bleiben und beschränkten sich darauf, beides, nämlich Erleichterung und Dankbarkeit, verbal zu deklarieren, wenn ich so sagen darf. Jetzt fiel mir erst
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