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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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sogenannten weiblichen Reize herzeigen können - das weiß man ja vom Iran. Und weiters dachte ich, ein so ein Blödsinn, gerade dadurch, daß man ihre Reize versteckt, erhöht man sie doch noch; an meinen Lieben sieht man's: die sehen doch jetzt in diesem Kopftuch ganz und gar hinreißend, ja, direkt zum Anbeißen, aus.
    Während ich so in ihren Anblick versunken dastand und mir schon überlegte, ob ich ihnen ein diesbezügliches Kompliment machen solle - eigentlich hat mich nur mein Brummschädel davon abgehalten -, wurde meine Aufmerksamkeit plötzlich durch irgendwas auf unseren lieben Freund und Helfer abgelenkt. Seine Wangen zeigten immer noch ein herrliches Fingermuster, aber seine Augen blickten schon etwas friedlicher, und seine Miene war deutlich entspannt - aha, das Aufsetzen von Kopftüchern auf Frauenköpfe wirkt offenbar auf Männer oder jedenfalls Fundamentalisten aggressionshemmend oder aggressionsabbauend! -, und seine Hände hielten jetzt etwas, was sie vorher nicht gehalten hatten: mehrere Pappendeckel mit Schnüren dran. Und plötzlich ging er auf Myriam zu und hängte ihr einen solchen Pappendeckel um den Hals, und jetzt sah ich, daß auf ihm, nämlich dem Pappendeckel, was geschrieben stand. Aber da ich ja Analphabet bin, nicht wahr, konnte ich's leider nicht lesen. Und dann bekam meine Lydia so einen Pappendeckel verpaßt, und da stand auch was drauf. Und zuletzt pflanzte er sich vor mir auf und schnauzte mich als erstes an, und sobald er mich zur Genüge angeschnauzt hatte, hob er seine Arme und hängte mir genauso einen Pappendeckel um; und soweit ich sehen konnte, stand da auch irgendwas Arabisches drauf.
    Aber wozu denn das ganze Theater? Nun, in dem Moment, wo er mit dem Anschnauzen und Taferlumhängen fertig war, drehte er sich um und schnauzte ins Dunkel hinein. Und aus dem Dunkel trat jetzt einer unserer vier Freunde heraus und hatte plötzlich eine Videokamera in der Hand. Wo hatte er denn die auf einmal hergezaubert? Die drückte er unserem Freund und Helfer in die Hand. Im nächsten Augenblick mußte ich geblendet die Augen zumachen; ein furchtbar grelles Licht leuchtete uns plötzlich ins Gesicht, und ich konnte mir nicht einmal die Hände vor die Augen halten, weil sie mir ja schon wieder auf den Rücken gebunden waren. Und wie ich sie das nächste Mal vorsichtig aufmachte, erkannte ich, daß unser Freund und Helfer eifrig damit beschäftigt war, uns zu filmen. Na, das ist ein Service! dachte ich mir. Bestimmt kriegen wir nachher den Film als nettes Andenken an unsere ägyptischen Ferien!
    Nachdem das erledigt und auch die grelle Lichtquelle wieder erloschen war, machte sich unter unseren Besuchern wiederum eine gewisse Unruhe breit. Und dann kam auf einmal einer von den vieren auf mich zu, packte mich am Arm und versuchte mich wegzuzerren. Ich wehrte mich zwar am Anfang ein wenig, aber als ich mich umdrehte und sah, daß meine Lydia ebenfalls abgeschleppt wurde, da gab ich nach und folgte meinem Abschlepper. Er schleppte mich aber nicht weit; im nächsten Säulensaal war bereits wieder Endstation. Er führte mich zu einer Säule und deutete mir, ich könne mich an ihr niederlassen und mir's bequem machen. Lydia sollte es sich an einer anderen Säule bequem machen. Aber ich setzte mich nicht nieder, und sie setzte sich nicht nieder, sondern beide verrenkten wir uns den Kopf nach Myriam, und sie sagte zu mir: 'Wo ist denn Myriam?', und ich sagte zu ihr: 'Ist sie nicht mit dir mitgeschleppt worden?', und sie schüttelte den Kopf. Und dann riefen wir beide im Chor: 'Myriam! Myriam!', und unsere beiden Betreuer oder Aufpasser standen nur da und grinsten sich eins. Myriam antwortete nicht, und wir verstummten und horchten ängstlich ins Dunkel hinein. Und man hörte sehr wohl etwas, aber ganz leise; man hörte leise, seltsame Geräusche, die wir nicht recht zu deuten wußten; aber irgendwie empfanden wir sie als zutiefst beunruhigend. Das ging so geraume Zeit, und wir sagten kein Wort, sondern versuchten angestrengt, diesen komischen Geräuschen einen Sinn zu geben. Und dann hörte man auf einmal wieder die schnarrende Kasernenhofstimme unseres Freundes und Helfers aus der Ferne, und ich konnte beobachten, wie sich unsre zwei Abschlepper und Bewacher gegenseitig zugrinsten und offensichtlich amüsiert zuzwinkerten, und ich dachte mir im stillen: Was für ein schäbiges, ja, dreckiges Grinsen!
    Und dann schnarrte es in der Ferne noch einmal, und im nächsten Moment waren sie weg, das

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