Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Lydia ihren Entsetzensschrei ausgestoßen hatte: das Nachthemd war nämlich bis zum Bauch hinaufgezogen, und ihre unteren Körperpartien lagen völlig frei, sprich: nackt. Naja, normalerweise wäre ich von einem solchen Anblick ziemlich begeistert gewesen, noch dazu bei der Myriam, deren Körperformen ich mir in der Phantasie ja schon so oft vorzustellen versucht hatte, aber unter diesen Umständen ... Naja, und dann entdeckte ich an ihren an und für sich so reizvollen Körperformen eine Reihe von recht häßlichen blauen Flecken. Und dann entdeckte ich plötzlich noch andere Flecken, wesentlich kleinere, und zwar nur auf den Innenseiten der Oberschenkel, und die waren rot - glänzend rot, wie von frischem Blut. Und da hörte ich auch schon meine Lydia rufen: 'Wart, ich bring' ein Papiertaschentuch!', und es wurde wieder finster, und inzwischen intensivierte ich mein Wangenstreicheln und versuchte der Myriam weiterhin Trost zuzusprechen. Währenddessen raschelte Lydia irgendwo im Hintergrund und kam nach einigen unendlich scheinenden Augenblicken wieder zurückgesaust, drückte mir ihre Taschenlampe in die Hand, kniete neben mir vor Myriam nieder und begann ihr mit einem Taschentuch den Unterleib und die Schenkel zu säubern, und schließlich waren die roten Flecken und vermutlich noch so manches andere weggewischt, nicht aber die blauen Flecken. Wie sie damit fertig war, sprang sie auf, entriß mir die Taschenlampe, sauste davon und kam im nächsten Moment wieder zurückgesaust. Jetzt hatte sie die uns schon bekannte Dose mit der wohlriechenden Salbe in der Hand, und mit der schmierte sie jetzt die Myriam ein, besonders an ihren blauen Flecken. Und das alles tat der Myriam sichtlich wohl, denn obwohl sie immer noch hemmungslos schluchzte, klang dieses Schluchzen jetzt doch schon irgendwie anders, sozusagen gelöster, entspannter, um nicht zu sagen: genüßlicher, jedenfalls nicht mehr so bitterlich wie am Anfang.
Ich setzte inzwischen mein Wangenstreicheln und mein Trostzusprechen fort, und Lydia ließ mit ihrem Einschmieren nicht locker und massierte unentwegt Myriams Schenkel. Plötzlich unterbrach diese ihr Schluchzen und stöhnte: 'Lydia? Gehst du mit mir aufs Klo?'
'Aber selbstverständlich, liebste Myriam!' rief diese, und ihren Worten war eine gewisse Erleichterung deutlich anzumerken. Ich half ihr, Myriam auf die Beine zu bringen, und fragte etwas schüchtern, ob ich mitgehen solle. Aber nein, versicherte mir Lydia ernsthaft, sie werde schon allein zurechtkommen. Und damit entführte sie die humpelnde und torkelnde Myriam aus meiner Gegenwart und ließ mich in der undurchdringlichen Finsternis allein mit meinen Gedanken zurück. Und die befanden sich jetzt in einem unbeschreiblichen Aufruhr, der durch die sprichwörtliche ägyptische Finsternis und das Alleinsein nur noch gesteigert wurde, und ich war alles gleichzeitig: entsetzt, bestürzt, verstört, besorgt, empört und zugleich erleichtert, und dann war ich durch das, was meine Augen zu sehen bekommen hatten, natürlich reichlich verwirrt, ja, in gewisser Weise sogar erregt. Es war ein furchtbares Tohuwabohu in meinem Kopf, der mir überdies vor Schmerzen beinahe zerspringen wollte. Und wie gesagt, zusätzlich war mir hundeübel.
Endlich war wieder ein Lichtschein zu erkennen, und meine zwei Lieben kamen wieder zurückgehumpelt. Jetzt stürmte ich ihnen aber entgegen und stürzte mich sofort auf Myriam und packte sie an ihrem freien Ellbogen, und so führten Lydia und ich sie gemeinsam zu unserer Schlafstelle, nahmen ihr das Taferl, das ihr unser Freund und Helfer umgehängt hatte, vom Hals und betteten sie auf ihre Lagerstatt. Anschließend nahmen wir endlich auch uns selber diese blöden Taferln herunter und warfen sie achtlos auf den Boden. Mit dem Weinen hatte Myriam inzwischen aufgehört; es entkam ihr nur hie und da ein Seufzer. Aber ein Gesicht machte sie ... also, ihr Gesicht war echt zum Fürchten. Auf Lydias besorgte Frage, ob sie ihr was zum Essen bringen solle, schüttelte sie nur den Kopf, hauchte aber dann: 'Wasser!' Also brachte ihr Lydia Wasser und legte sich anschließend ebenfalls nieder; offensichtlich war ihr ebenfalls der ganze Appetit vergangen. Das war er mir zwar auch, und ich hätte mich am liebsten sofort zu ihnen gelegt, aber jetzt hatte ich vorher noch dringende Verpflichtungen, und erst als diese erledigt waren, legte ich mich auf meine Lagerstatt zwischen meine zwei Lieben, die sich inzwischen auch ihrer Kopftücher
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