Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
Gipfelkamm, meinte ich, müßte es sich doch ausgehen. Naja, ausgehen mußte es sich schon, aber ihr könnt euch sicher noch erinnern, was das für ein steiler Anstieg bis dorthin ist. Und so kam es, daß die meisten von dieser nächtlichen Bergtour alsbald genug hatten und grüppchenweise wieder kehrtmachten. Und übrig blieben schließlich - ihr werdet es schon erraten haben - nur mehr Maria und ich. Wir stapften weiterhin unermüdlich den steilen Hang hinauf, bis wir den Gipfelkamm erreicht hatten. Daß wir dort vor dem Abstieg noch einmal Rast machten, versteht sich wohl von selbst, nicht wahr? Und so setzten wir uns nebeneinander auf einen Felsen - das Gras war vom Nachttau doch schon zu naß - und genossen erst einmal die herrliche Luft und die romantische Stimmung, die der Vollmond über die Berglandschaft zauberte. Jawohl - zauberte. Denn je länger wir dort saßen und genossen, umso mehr fühlte zumindest ich mich verzaubert, und umso stärker wurde ich mir der Anwesenheit, ja, der Nähe einer höchst sympathischen Kollegin, einer höchst bezaubernden jungen Frau bewußt, und bald fühlte ich mich nicht mehr so sehr vom Mondschein und der romantischen Stimmung verzaubert, sondern viel mehr noch von der höchst bezaubernden und höchst sympathischen jungen Frau neben mir, und ohne daß es mir bewußt geworden wäre, lehnte ich mich leicht gegen ihre Schulter; und erst wie sie den Druck verstärkte, wurde es mir bewußt, und da - bitte lacht nicht! - war meine erste Empfindung Entzücken gemischt mit Erschrecken. Wieso mit Erschrecken, werdet ihr fragen. Naja, ganz einfach, weil ich ja ein verheirateter Mann war und mir sowas bisher noch nie erlaubt hatte. Ich war nämlich durchaus das, was man einen treuen Ehemann, und zwar aus Überzeugung treuen Ehemann nennt - trotz der Schwierigkeiten, von denen ich Götzi gegenüber gesprochen hatte. Und lehnte ich nun an der Schulter einer anderen Frau, und sie lehnte an meiner Schulter? Oder war das nur ein Irrtum, ein Mißverständnis? Ich wandte ihr das Gesicht zu: sie hatte mir ihr Gesicht zugewandt und lächelte mich verschämt an. Da wollte ich ihr sagen, wie schön und romantisch es doch hier sei, und vielleicht noch anderes mehr, aber es ging nicht, ich brachte kein Wort heraus. Und so griff ich statt dessen nach ihrer Hand und hielt sie eine Zeitlang fest; und erst als ich sie wieder loslassen wollte, merkte ich, daß sie ebenso die meine gedrückt hielt. Und so saßen wir noch lange aneinandergelehnt und händchenhaltend auf dem Felsen und genossen nicht nur die romantische Stimmung, sondern vor allem die Nähe des anderen und sprachen die ganze Zeit über nicht ein Wort, als befürchteten wir beide, daß sonst der Zauber mit einemmal verflogen wäre. Und als wir das Gefühl hatten, daß es jetzt langsam an der Zeit wäre, aufzubrechen und in die Hütte zurückzukehren, da wandten wir noch einmal einander das Gesicht zu und strahlten uns gegenseitig an, und da wir immer noch davor zurückschreckten, etwas zu sagen, und unsere Gesichter einander ohnehin so nah waren, wie sie's noch nie gewesen waren, kam ich ihr mit dem Gesicht noch ein kleines bißchen näher, und entweder hatte ich die Entfernung überschätzt, oder sie war mir ihrerseits ein kleines bißchen näher gekommen - jedenfalls berührten sich auf einmal unsere Lippen, und das fühlte sich so unbeschreiblich süß an, daß ich mich nicht entschließen konnte, sie wieder wegzuziehen oder sonst irgendwie zu bewegen, und ihr erging's offenbar nicht anders, denn sie zog die ihrigen ebenfalls nicht weg und bewegte sie auch sonst nicht, und so verblieben wir minutenlang und genossen die bloße Berührung unserer Lippen, ohne uns im eigentlichen Sinn zu küssen. Doch schließlich kam mit einemmal Leben in unsere Lippen und bald danach auch in unsere Zungen, und das war jetzt ein ganz wunderbarer, gewissermaßen verzauberter Kuß, in dem sich, wie ich das in einem griechischen Roman einmal gelesen habe, auch unsere Seelen vereinigten.
    Mehr wagten damals weder unsere Lippen noch unsere Hände, sondern nach diesem Kuß standen wir, immer noch wortlos, auf und stiegen in tiefem Schweigen zur Hütte ab. Erst, als wir vor dieser angelangt waren, da erst umarmten wir uns - aber wie schüchtern! - und küßten uns noch einmal, wenn auch nur ganz kurz, bevor wir eintraten und uns vorsichtig zu unserer jeweiligen Lagerstatt vortasteten.
    Die Nacht war kurz, denn gleich im Morgengrauen brachen wir auf zum

Weitere Kostenlose Bücher