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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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ein Mann daherkommt. Er hat in der einen Hand eine kleine Handtrommel, und mit der anderen trommelt er unermüdlich auf diese, und dabei macht er gar nicht irgendwie den Eindruck eines Betrunkenen, sondern marschiert vollkommen sicheren Schritts dahin und blickt noch dazu äußerst würdevoll, so, als wäre er sich seiner Wichtigkeit voll bewußt. Und so zieht er laut trommelnd vorüber, und sein Trommeln wird allmählich leiser und leiser, bis es schließlich nicht mehr zu hören ist.
    Na, die spinnen, die Römer! dachte ich im stillen und beobachtete, wie überall in den umliegenden Häusern Licht gemacht wurde. Die hat er also alle aufgeweckt, dieser Spinner! Das ist ja genauso arg, wie wenn bei uns manche Spinner mit ihren aufgedrehten Motoren nächtlicherweile ganze Straßenzüge und ganze Siedlungen aus dem Schlaf schrecken, oder möglicherweise noch ärger! Jetzt meldete sich Götzis verschlafene Stimme und fragte, was denn da los sei und ob man keine Ruhe zum Schlafen haben könne. Ich begann's ihm zu erklären, aber noch ehe ich fertigerklärt hatte, hörte man schon wieder seine regelmäßigen Atemzüge, die mir verrieten, daß er ins Reich der Träume zurückgekehrt war.
    Naja, so legte ich mich halt wieder in mein Bett, grübelte über den Trommler nach und grübelte dann wieder über meinen merkwürdigen Traum nach und versank so langsam erneut in Morpheus' Armen. Und ich träumte wieder was, nur kann ich mich an diesen Traum komischerweise nicht mehr deutlich erinnern; ich weiß nur noch, daß unser Bischof und islamische Fundamentalisten darin vorkamen und daß irgendwelche Terroranschläge verübt wurden und daß dann ein Schuß fiel; und von diesem Schuß wurde ich wach, und ich hatte das unbestimmte, aber zwingende Gefühl, daß da wirklich ein Schuß gefallen war. Und tatsächlich meldete sich nun auch wieder Götzis schlaftrunkene Stimme und fragte, wer denn da mitten in der Nacht herumballere. Ich murmelte nur verärgert: 'Schweinerei, sowas!' und versuchte gleich wieder einzuschlafen. Aber es war wie verhext: kaum war ich in der Phase des seligen Einschlafens angelangt, da reißt mich schon wieder ein gräßlicher Lärm aus besagter Seligkeit. Was zum Teufel ist denn schon wieder los? Eine männliche Stimme ist es diesmal, und da schreit einer wie am Spieß, und erst mit der Zeit wird mir bewußt, daß das in Wirklichkeit ein orientalischer Gesang ist; und daß er so gräßlich klingt, liegt nicht so sehr am Gesang als solchem, sondern an dem Umstand, daß er durch einen Lautsprecher verstärkt ist und dazu noch höchstwahrscheinlich vom Band kommt. Und während der Gesang einmal leiser wird und ich schon wieder im Einschlafen bin, beginnt zu meinem unaussprechlichen Ärger ein zweiter Sänger in einer anderen Tonhöhe denselben Gesang hinauszuplärren, und dann wird der erste wieder lauter, und nun singen sie zweistimmig. Und dann fängt noch ein dritter und ein vierter an, und schließlich scheint die ganze Riesenstadt erfüllt zu sein von unzähligen solchen Sängern, die alle das gleiche Programm bringen. Und da wird mir auch klar, was dieser Gesang soll: es ist ganz einfach der Ruf des Muezzins, der vom Minarett der Moschee aus die Gläubigen zum ersten Gebet des Tages ruft, und da es in Kairo eben Hunderte von Moscheen gibt, ...
    Naja. Ein allerletztes Mal wurden wir in dieser Nacht noch geweckt, und zwar vom Klingeln des Telefons. Es war der Weckruf der HotelRezeption für unsere ganze Gruppe, und das war in gewisser Hinsicht die allerlästigste unter allen Aus-dem-Schlaf-Reißungen dieser Nacht (wenn ich so sagen darf), denn nun hieß es aufstehen, und Nacht war's jetzt auch nicht mehr. Als ich dann zum Frühstück in den Speisesaal kam, wurde ich schon von allen Seiten mit der Frage bombardiert, was denn da in der Nacht losgewesen sei. Und so machte ich gleich wieder kehrt, sauste zur Rezeption zurück und versuchte den Angestellten die Geheimnisse der vergangenen Nacht zu entlocken, was mir mit einiger Mühe auch gelang. Es verhielt sich also folgendermaßen: der Trommler weckt während dem Ramadan die Gläubigen und leider Gottes nicht nur die, damit sie sich vor Beginn des neuen Fasttages noch einmal stärken können. Der Kanonenschuß zeigt den Beginn des Tages an; von nun an muß also gefastet werden. Und der Ruf des Muezzins ertönt sowieso das ganze Jahr hindurch fünfmal am Tag, und das erste Mal eben bei Tagesanbruch. Hm, das klingt aber nicht sehr verheißungsvoll, denn das

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