Geliebte Myriam, geliebte Lydia
ohne ein Wort miteinander zu sprechen oder auch nur Gute Nacht zu sagen.
Ein Gutes haben diese grotesken Tänze mit der Spinne gehabt: uns war wieder warm geworden. Natürlich litt ich jetzt wieder verstärkt unter meinen diversen Unpäßlichkeiten, aber wenigstens war mir angenehm warm. Ihr werdet euch erinnern, daß mir beim Aufwachen kalt gewesen war. Nun, daran dachte ich jetzt gar nicht mehr; ich dachte natürlich nur mehr an die Spinne und dann auch an die diversen Ereignisse des abgelaufenen Tages und an mein Kopfweh und meine Beule und schließlich an nichts mehr. Und als ich wieder aufwachte, da hatte ich wieder nur kurze Zeit geschlafen, und mir war wieder kalt, oder vielmehr noch viel kälter als beim ersten Aufwachen, und ich fror wie ein Schneider. Ich versuchte mich ein wenig anzuwärmen, indem ich mich auf die andere Seite drehte. Es brachte natürlich eh nichts, hatte aber den Erfolg, daß ich irgendwie abrutschte und mich um die eigene Achse drehte, weiter, als ich's beabsichtigt hatte, und daß ich dabei eine ganze Ladung Sand in Mund, Nase und Augen bekam. Ich hatte nämlich ganz vergessen, wo wir unser neuestes Nachtlager aufgeschlagen hatten: auf einem relativ steilen Stück herrlichsten weichen Wüstensandes. Na, wer weiß, wo ich gelandet wäre, wenn ich allein gewesen wäre und mich nicht ein noch viel weicherer Körper aufgehalten und vor dem Absturz bewahrt hätte! Hierauf war ich eine Zeitlang vollauf mit mir selber beschäftigt, und zwar mit Spucken, Husten, Niesen, Augenreiben und anderen derartigen interessanten Tätigkeiten, aber schließlich wurde mir bewußt, daß ich da eine von meinen zwei Süßen ganz schön gestört haben mußte oder vielleicht sogar alle zwei, und ich murmelte entschuldigend: 'Hab' ich dich aufgeweckt?'
'Ach wo, ich war schon wach', sagte drauf eine zitternde weibliche Stimme, und es war die Stimme meiner Myriam.
'Ah!' erklärte ich lakonisch und sagte, nachdem ich mich wieder in meine ursprüngliche Position gebracht hatte: 'Kannst du nicht schlafen?'
'N-nein', sagte Myriams Stimme, 'ich friere so schrecklich', und sie klang recht jämmerlich.
Da hörte ich von der anderen Seite die Stimme meiner Lydia. Sie klang auch nicht übertrieben fröhlich und sagte: 'Mir ist auch saukalt!'
'Mir auch!' brummte ich. 'Drum bin ich wahrscheinlich aufgewacht.'
So, das war jetzt also geklärt: wir konnten alle drei vor Kälte nicht schlafen. Und es war wirklich eisig kalt, die Luft und auch der Sand, auf dem wir lagen. Wie gibt's denn sowas? dachte ich bei mir. Ist hier in der Sahara auf einmal die Eiszeit ausgebrochen? Wo's doch tagsüber so unerträglich heiß gewesen ist! Nun war mir natürlich bestens bekannt, daß es in der Wüste große Temperaturunterschiede gibt zwischen Tag und Nacht und auch zwischen Sommer und Winter. Aber das war erstens ein rein theoretisches Wissen, und vor allem hatte ich nicht im Ernst damit gerechnet, daß man sich wirklich so zu Tod frieren kann, wie ich das jetzt am eigenen Leib erleben mußte und meine zwei Süßen offensichtlich genauso. Ich versuchte meine subjektive Temperaturempfindung nach Möglichkeit auszuschalten und objektiv zu schätzen, wieviel Grad es haben könnte, und kam zum Schluß, daß es nicht viel über Null Grad haben konnte - wenn überhaupt. Wie soll denn da einer schlafen können - ohne warme Decke und natürlich auch ohne Leintuch, geschweige denn Matratze? Und wie gesagt, der Sand unter uns war nicht viel wärmer, und die beißende Kälte schlich sich genauso von unten an und drang durch die leichte Sommerkleidung in den Körper ein. Wie ist denn das möglich? dachte ich kopfschüttelnd. Wir sind doch jetzt so viele Nächte unter der Erde gewesen und haben dort kein einziges Mal auch nur annähernd so gefroren! Und hier dagegen ...
Aber mit der Zeit hörte ich auf zu denken - die Gedanken froren mir buchstäblich ein - und gab mich einzig und allein dem Eindruck - fast hätte ich gesagt: dem Genuß - der bitteren Kälte und daneben auch noch meiner euch inzwischen zur Genüge bekannten Unpäßlichkeiten hin. Und ich erlitt beinahe einen Schock, als ich merkte, wie ich an allen Gliedern richtiggehend bibberte. Noch einmal: wie soll da einer schlafen können? Und ich spürte in meinem Bauch den Ärger aufsteigen, und ich begann mich grün und blau zu ärgern, daß ich nicht ordentlich schlafen und mich von meinen Strapazen und Unpäßlichkeiten erholen konnte. Aber was half's? Das Einschlafen fiel mir dadurch
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