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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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gewohnt: wird irgendwo eine Kirche besichtigt, so gibt's als erstes einen mehr oder weniger ausführlichen Vortrag, und für diesen Zweck gibt's nichts Geeigneteres als eben die Kirchenbänke. Jedenfalls gilt das für die Stammgäste des Katholischen Bildungswerks, und die anderen tun's ihnen natürlich nach. Und Salam? Ja, der warf sich tatsächlich in Positur und begann offenbar einen Vortrag, der sich gewaschen hatte (soweit er halt, wie gesagt, zu verstehen war): diese Kirche heißt 'die Hängende', weil sie mit ihrem Ost- und Westteil auf den Bastionen aufliegt, die einst das Südwestportal der römischen Festung flankierten, während ihr Mittelteil über diesem Portal selbst sozusagen hängt. Darum stammt die Kirche höchstwahrscheinlich aus der Zeit, nachdem die Araber im Jahre 641 Ägypten erobert hatten; vorher hätten die Römer kaum zugelassen, daß an dieser Stelle eine Kirche gebaut wird. Damit ist diese Kirche zugleich ein Zeugnis für die erstaunliche Toleranz, die der Islam stets gegenüber den Ungläubigen bewiesen hat.
    Und damit verstummte Salam und war mit seinem großartigen Vortrag anscheinend zu Ende. Aber offensichtlich glaubte ihm das keiner, denn meine Leute rührten sich nicht und hielten ihr Gesicht nach wie vor ihm zugewandt und warteten weiter geduldig auf den ausführlichen Vortrag. Aber alles, was sie aus Salams Mund noch zu hören bekamen, war die Information, daß sie jetzt genau zehn Minuten Zeit hätten, um die Kirche zu besichtigen, und daß wir uns dann im Vorhof wieder treffen würden. Und damit entfernte er sich auch schon in Richtung Ausgang.
    Es war vom psychologischen Standpunkt aus hochinteressant zu beobachten, wie sich jetzt allmählich Unruhe unter den Leuten breitmachte - Unruhe, die jeden Moment in Empörung umzuschlagen drohte. Da streifte ich meine allerletzten Hemmungen, oder sagen wir: Bedenken wegen Salam, ab, postierte mich vor der Gruppe auf und begann zu reden. Ich stellte zunächst einmal klar, was die Kopten sind und woher der Name kommt: im Laufe der Römerzeit war Ägypten ein rein christliches Land geworden. Als es dann, wie wir soeben gehört haben, im Jahre 641 von den inzwischen islamisch gewordenen Arabern erobert wurde, übernahmen diese als Bezeichnung für seine, wie gesagt, christlichen Einwohner den griechischen Namen 'Aigyptioi' und verkürzten und verballhornten ihn zu der Form 'Kopt'. Da nun also die Araber sämtlich Moslems und die Ägypter sämtlich Christen waren, erschienen diese Bezeichnungen innerhalb Ägyptens austauschbar. Und als nun die Ägypter bald in Scharen zum Islam überliefen, weil sie dann nämlich keine Steuern zu zahlen hatten, begann man naturgemäß auch diese Konvertiten als Araber zu bezeichnen und als Ägypter beziehungsweise Kopten eben nur mehr diejenigen, die dem Christentum treu geblieben waren.
    Und dann erlaubte ich mir, unseren lieben Salam, der ja von 'einigen Christen' gesprochen hatte, zu korrigieren und zu berichten, eine welch große Minderheit die Kopten trotz jahrhundertelanger und immer noch andauernder Unterdrückung heute noch darstellen; und dabei kam mir das, was ich am Vortag von der Schwester Sara gehört hatte, natürlich sehr zugute, und das ließ ich auch nicht unerwähnt.
    Nach diesen grundsätzlichen Bemerkungen über die Kopten kam ich auf die koptische Kunst zu sprechen und erwähnte als erstes den wesentlichen Umstand, daß sie keine Fortsetzung der altägyptischen Kunst ist, sondern ursprünglich einen Seitenzweig der frühchristlichen Kunst bildet und daß diese mit der griechisch-römischen Mischkunst in ihrer spätesten Entwicklungsphase identisch ist, daß sie aber nach der arabischen Eroberung naturgemäß allmählich aufs stärkste von der islamisch-arabischen Kunst beeinflußt worden ist. Und beides läßt sich an dieser Kirche wunderschön beobachten: vom architektonischen Standpunkt aus handelt es sich um eine griechisch-römische Basilika, die Kanzel weist die frühchristliche Form des Ambo auf, und der Altarraum ist wie überall in der Ostkirche durch eine Ikonostase vollständig vom Kirchenschiff abgetrennt. Der islamisch-arabischen Kunst gehören hingegen die herrlichen Ornamente der Ikonostase, des Ambo, der Wandmalereien und der Glasfenster an, und selbstverständlich auch die Teppiche, mit denen der ganze Boden bedeckt ist.
    Und dann ging ich noch ein wenig ins Detail und referierte über die Herkunft und symbolische Bedeutung der Basilika ebenso wie über Herkunft, Arten,

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