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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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lieber vom Herzen als vom Berg! Und dann berichtete ich, immer noch ziemlich geschockt, zuerst Ruschdi, was sich vor vier Tagen genau an dieser Stelle zugetragen hatte, und Ruschdi übersetzte es anschließend den beiden Witzbolden, denen dabei das Witzereißen schlagartig verging. Sie machten eine reichlich betroffene Miene, blickten von Ruschdi auf die Felstrümmer, die den Talboden bedeckten, von diesen auf den Berg hinauf und von diesem auf die Schießeisen, die sie noch immer in ihren Händen hielten, verstauten diese schweigend in ihrem Versteck und drängten nun zum sofortigen Aufbruch.
    Ja, das war ohnehin das Gescheiteste. Die kurze Rast reichte vollauf, und wozu sollten wir noch mehr Zeit verplempern? Im übrigen wollte sich Meister Ruschdi erst einmal einen Überblick verschaffen, und daher schnappten sich die beiden Witzbolde außer Taschenlampen nur die Schaufeln und Maurerkellen, und Ruschdi schnappte sich seine Fototasche, und ich schnappte mir gar nichts, und damit konnte es losgehen. Und wer fungierte jetzt wieder einmal als Leithammel? Erraten: der Giggerle natürlich - wer sonst? Wir stellten also eine kleine Karawane zusammen, und ich war, wie gesagt, der Leithammel, oder vielleicht sollte ich passender sagen: das Leitkamel, und Ruschdi war Kamel Nummer 2, und die zwei Witzbolde bildeten die Nachhut. Und so führte ich sie jetzt genau den Weg, den ich vor vier Tagen mit meinen zwei Süßen zurückgelegt hatte, nur eben in umgekehrter Richtung. Wir stiegen in jene Seitenschlucht ein, jenes felsige Trockenwadi, in das heute wie damals unbarmherzig die Sonne hineinbrannte, und dazu ging's jetzt zumeist auf lockerem Geröll steil bergauf, und wir mußten nicht nur wie die Haftelmacher aufpassen, wo wir hinstiegen, sondern schwitzten binnen kurzem wie die Schweine - die anderen nämlich genauso, nicht nur ich. Das merkte ich während der Rastpausen, die ich auf Ruschdis Wunsch in immer kürzeren Abständen einlegen mußte; und dabei drehte ich mich natürlich jedesmal um und beobachtete, wie die hinter mir schwitzten. Aber gut, sie hatten natürlich auch ganz schön zu schleppen.
    Bei diesen Gelegenheiten beobachtete ich übrigens noch was anderes. Ich schaute jedesmal auch auf die Felswand rechts über uns hinauf und versuchte herauszukriegen, was sich da eigentlich seit dem letzten Mal verändert hatte; aber das war auch von hier aus noch nicht recht zu erkennen. Erst als wir in die Terrasse, die die Felswand teilt, eingebogen waren und uns der bewußten Stelle näherten, da erkannte ich allmählich, was los war: die ganze riesige Mauer aus Felsbrocken, die den Eingang zu unserem Labyrinth ursprünglich total verlegt hatte und uns den Weg heraus ins Freie vollkommen versperrt hätte, hätte ich ihn nicht in meiner Verzweiflung quasi freigeschossen - diese ganze Mauer war weg! Einfach verschwunden! Oder genauer: abgestürzt - abgebrochen! Und ich wußte auch ganz genau, wohin. Und wieder lief mir ein wilder Schauder über den Rücken, als ich an den Absturz, das Abbrechen dieser Mauer und an dessen Folgen zurückdachte, und trotz der fürchterlichen Hitze fröstelte mich, und ich spürte, wie ich am ganzen Körper die Gänsehaut bekam, und mußte stehenbleiben, so erledigt war ich, und hätte mich am liebsten auf dem steinigen Boden hingesetzt. Ruschdi hinter mir merkte, daß mit mir was war - wahrscheinlich daran, daß ich stehenblieb, ohne mich zu ihm umzudrehen, vielleicht aber auch an meiner plötzlich veränderten Haltung oder sowas -, und fragte, was es denn gebe. Seine Frage brachte mich mit einem Schlag in die Realität, oder sagen wir besser: in die Gegenwart, zurück, und ich vertrieb meine Vision und verscheuchte meine Gefühlswallung und erzählte ihm ganz sachlich, was sich an dieser Stelle verändert hatte und wie das vor sich gegangen war, und er übersetzte es anschließend den beiden Witzbolden, und die machten dabei große Augen und schenkten mir direkt anerkennende Blicke.
    Naja, ein Gutes hatte diese Veränderung unbestreitbar an sich: der Zugang zu unserem Labyrinth stand jetzt wieder genauso offen wie zu Zeiten des Eremiten Epiphanios, und man konnte ganz gemütlich hineinspazieren - ohne die komplizierten Klettertouren, die wir noch hatten absolvieren müssen. Na gut, ein paar verstreute Felsbrocken lagen noch herum, aber das war auch alles. Und so befanden wir uns mit einemmal unter dem überhängenden Felsvorsprung und standen bereits vor dem ins Berginnere führenden

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