Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
liebe Sonne auch heute wieder viel zu gut mit uns, und überhaupt: wozu hatte ich so viel Wasser eingekauft und mitgeschleppt? Aber in dieser Richtung taten sie gar nichts dergleichen, und nachdem ich mich lang genug gewundert hatte, fiel bei mir endlich der Groschen: der Ramadan! Die Armen mußten ja fasten! Na gut, dann würde ich halt mitfasten, um es ihnen nicht noch schwerer zu machen, als es so schon sein mußte; und ich erinnerte mich an die Steine, die in Kairo geflogen gekommen waren, weil einige meiner Leute in aller Öffenlichkeit ihre Butterbrote oder Wurstsemmeln verzehrten. Und ich bewunderte die drei Männer im stillen, mit welcher Schicksalsergebenheit sie diese ihnen von ihrer Religion auferlegten Belastungen ertrugen, und das, obwohl nach menschlichem Ermessen nicht die geringste Gefahr bestand, daß irgendwelche Steine geflogen kommen würden - jedenfalls nicht deshalb, und ich als Ungläubiger zählte ja schließlich nicht -, und wie fröhlich und sogar ausgelassen sie trotz alledem waren - das waren sie nämlich wirklich -; und ich überlegte mir, wie das in einem solchen Fall wohl bei uns die Oberkatholen mit dem Fasten halten würden, unser ausgefressener Bischof zum Beispiel mit seinem direkten Draht zum lieben Gott.
    Während ich noch diesen und ähnlichen Gedanken nachhing, fiel mir auf einmal an einem der beiden Galabejaträger was auf. Er zerkugelte sich nämlich gerade über irgendwas; es muß unheimlich witzig gewesen sein. Er krümmte sich also vor Lachen und hielt sich den Bauch, und dabei fiel mir auf diesem oder genauer an seiner Seite eine merkwürdige dreieckige Ausbuchtung unter seiner weißen Galabeja auf, die mich frappant an eine Tasche für Schießeisen erinnerte. Ob da ein solches drin war? Und um nicht ganz danebenzustehen und mich auch ein bißchen an der fröhlichen Konversation zu beteiligen, griff ich ihm an die Schulter, um ihn auf mich aufmerksam zu machen, und deutete lachend auf die bewußte Ausbuchtung. Da lachte er mich an, daß seine weißen Zähne blitzten, hob seine Galabeja blitzschnell in die Höhe und zeigte mir das Corpus delicti. Ich hatte es richtig erkannt; es war tatsächlich eine Pistolentasche. Daraufhin hob auch der andere seine Galabeja und zeigte mir mit sichtlichem Stolz eine an einem Gürtel hängende Pistolentasche. Na, da wollte ich mich natürlich nicht lumpen lassen, machte meine Umhängetasche auf und zog zu ihrer grenzenlosen Überraschung 'mein' Schießeisen hervor - ich hatte mich noch nicht aufgerafft, es irgendwo anders zu deponieren - und hielt es ihnen unter die Nase. Damit hatten sie offensichtlich nicht im Traum gerechnet; jedenfalls gerieten sie buchstäblich aus dem Häuschen und fanden das alles wieder unheimlich witzig. Und offenbar, um mir zu beweisen, daß sie da nicht nur Pistolentaschen ohne Inhalt herumtragen, öffnen sie sie und zeigen mir grinsend, was drinnen ist. Und dann geben sie sich damit auch nicht zufrieden, sondern ziehen beide das, was drinnen ist, heraus und halten es ihrerseits mir unter die Nase. Naja, da zeige ich mich natürlich gebührend beeindruckt, und das freut sie wieder irrsinnig. Und so blödeln wir halt furchtbar herum, wie das, glaub' ich, wirklich nur mit arabischen Mannsbildern möglich ist, und Freund Ruschdi tut eifrig mit; dem Herrn Doktor ist diese Blödelei weder zu blöd noch zu primitiv. Aber dann genügt denen das auch nicht mehr, sondern jetzt gehen sie offensichtlich daran, mir und vielleicht auch sich selber zu beweisen, daß das, was sie in ihrer Hand halten, auch wirklich keine Attrappen sind. Sie palavern kurz miteinander, richten dann beide ihr Schießeisen himmelwärts und beginnen zu zählen. Wie man im Arabischen zählt, war mir ja teilweise schon bestens bekannt, nicht wahr: uáhad - itneen - taláta; und daß áschara 'zehn' heißt, daran könnt ihr euch bestimmt noch erinnern.
    Na, kurz und gut, sie zählten langsam 'uáhad ... itneen ...'; sie waren also gerade bei 'zwei' angelangt, da packte mich plötzlich der wilde Schrecken, und mir kam blitzartig die Erinnerung an jene grauenhaften Ereignisse vor wenigen Tagen zurück, und ich begann wie in Ekstase zu schreien, und ich schrie 'No, no!' und machte ganz aufgeregt abwehrende Bewegungen mit den Händen. Da brachen sie ihre Zählung ab - jedenfalls kam 'taláta' nicht mehr dran - und schauten mich verblüfft, ja, erschrocken an, und mir fiel ein Stein, was sag' ich: ein ganzer Felssturz, vom Herzen, und ich dachte mir:

Weitere Kostenlose Bücher