Geliebte Myriam, geliebte Lydia
kniete mich davor nieder und untersuchte es. Die innere Abdeckung bestand aus Holz und Weidengeflecht - wahrscheinlich jahrtausendealtem Holz und Weidengeflecht; sowas gibt's nur in der Wüste. Ich drückte dagegen, und siehe da, es gab nach. Und ich drückte weiter, und dann gab's von innen einen gewaltigen Krach, und man hörte Holz splittern, und Staub stieg aus dem Loch auf - aber das Loch als solches war frei.
Jetzt streckte ich natürlich sofort meinen Kopf hindurch und leuchtete hinein. Na, das 'Schatzhaus der Dämonen' hatte sich stark verändert; aber das war auch nicht anders zu erwarten gewesen. Aber direkt unter dem Loch? Jawohl, da stand immer noch der herrliche Intarsientisch, und auf ihm stand immer noch der Stuhl, der mir so gute Dienste geleistet hatte! Und daneben lag ein großes, nun aber arg ramponiertes Ding aus Holzbrettern und Weidengeflecht, das bis vor wenigen Augenblicken ein Bettgestell gewesen sein mochte.
Naja, wenn es wirklich einen zweiten Mann gab, und wenn sich dieser zweite Mann wirklich noch im Inneren des Labyrinths befand, so mußte er da drinnen sein, im 'Schatzhaus der Dämonen'. Das sagte ich Ruschdi und erklärte ihm gleichzeitig, daß das hinter dem Schönen Loch das bis vor kurzem noch unberührte altägyptische Grab sei, das eigentliche Ziel seiner blitzartigen archäologischen Expedition.
Und damit kroch ich auch schon durch das Schöne Loch und ließ mich hinunter, und Ibrahim folgte mir auf der Stelle und half seinerseits Ruschdi beim Heruntersteigen. So, und was jetzt? Ibrahim brachte jedenfalls sofort wieder seine Waffe in Anschlag und forderte mich durch einen Blick und eine Geste auf, es ihm gleichzutun.
Also holte ich mein Schießeisen wieder aus der Tasche und brachte es in Anschlag. Nur: wohin? Ich kam mir einigermaßen blöd vor, weil ich nicht wußte, wohin ich zielen sollte. Das wußte Ibrahim allerdings auch nicht, und als er sah, daß ich seiner Aufforderung nachgekommen war, begann er in einem ausgesprochenen Kasernenhofton zu rufen; was er da rief, verstand ich klarerweise nicht, aber ich konnte mir's denken. Aber wie's ausschaute, hatte er mit seinem Rufen, und wenn es noch so energisch klang, nicht den geringsten Erfolg. Hieß das, daß unser Suchen von vornherein für die Katz' war, weil es da nämlich keinen gab, den wir hätten suchen können? Keineswegs. Diese Grabkammer, in der wir standen, war zwar inzwischen leider Gottes alles andere als unberührt, aber noch lange nicht leer; da stand noch genug herum, hinter dem oder unter dem sich ein Gesuchter und Gejagter verstecken konnte.
Also: wie heißt's so schön in der Bibel? Wer suchet, der findet. Und so machten wir uns auf, um zu dritt die ganze Grabkammer systematisch zu durchkämmen. Dabei fiel mir auf, um wieviel leichter das jetzt schon ging, als wie ich mir das erste Mal einen Weg durch die dichtgedrängten Grabbeigaben gebahnt hatte - jedenfalls in der Nähe des Schönen Lochs, soweit eben die Halunken mit ihrer Ausplünderungsaktion gekommen waren; ab einer bestimmten Entfernung herrschte dann nämlich der ursprüngliche, dichtgedrängte Zustand, wo man genau aufpassen mußte, wohin man stieg.
Ja, und? Also, um es kurz zu machen: nach längerer, intensiver Suche zu dritt trafen wir uns schließlich wieder an unserem Ausgangspunkt, dem Intarsientisch unter dem Schönen Loch, erschöpft, entnervt und frustriert; nur Ruschdi war außer frustriert auch noch hellauf begeistert, offenbar von den tollen archäologischen Schätzen, die er soeben zu Gesicht bekommen hatte. Er tat zwar sein Bestes, um seine Begeisterung zu verbergen, aber ganz gelang's ihm halt doch nicht, und ich sah sie ihm an der Nasenspitze an, konnte sie ihm aber nicht verdenken.
Offenbar um es Ibrahim nicht merken zu lassen, wie begeistert er war und wie wenig ihn die Verbrecherjagd eigentlich interessierte, beugte er sich nun über das umgestürzte und arg ramponierte Ding aus Holzbrettern und Weidengeflecht und tat so, als ob er unter ihm den Gesuchten nachspüren würde.
In Wirklichkeit beschäftigte ihn vermutlich einzig und allein die Frage, was das ursprünglich für ein Ding gewesen sein mochte.
Nachdem er sich darüber lang genug den Kopf zerbrochen hatte, schaute er sich kopfschüttelnd um und nahm dann zwei seltsame, langgestreckte Löwenfiguren aus vergoldetem Holz in Augenschein, die ganz in der Nähe lagen - wahrscheinlich erst jetzt; denn früher, ich meine: während unserer Gefangenschaft - waren die mir
Weitere Kostenlose Bücher