Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
gedacht hätten. Sofort ging die Schreierei wieder los, und zwar in doppelter Lautstärke, weil jetzt ja auch doppelt so viel Schreihälse beteiligt waren. Und jetzt waren sie vier gegen zwei, und trotz dieser Übermacht ließen sich Ruschdi und Achmad nicht ins Bockshorn jagen, sondern bewiesen erneut, daß es bei feindlichen Zusammenstößen nicht nur auf die zahlenmäßige Stärke ankommt, sondern viel mehr noch auf die innere Stärke, wenn ich so sagen kann; das haben ja vor ihnen schon die Griechen in den Perserkriegen bewiesen, nicht wahr? Außerdem bewiesen sie, daß es im Zweifelsfall auch das Amtskappel nicht macht. Jedenfalls kam der brutale Kerl mit einemmal auf mich zugestapft, nahm mir die Handschellen ab und deutete mir, ich könne mich wieder anziehen. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, sondern schlüpfte augenblicklich in meine dreckigen Kleider, legte mir meine Uhr wieder an und hängte mir meine Tasche um. Allerdings hatte ich trotz der Aufregungen und sonstigen Beeinträchtigungen keineswegs vergessen, daß in diese noch was Wichtiges hineingehörte, nämlich mein Paß. Also marschierte ich schnurstracks auf den Schreibtisch zu, wo ich ihn wußte, und wollte ihn mir, unehrerbietig, wie ich nun einmal bin, einfach schnappen. Aber da hatte ich nun doch die Rechnung ohne den Wirt, sprich: ohne den Schreiber, gemacht. Der legte nämlich rechtzeitig seine Pfote drauf und schwenkte wie ein Schulmeister den ausgestreckten Zeigefinger der anderen Pfote hin und her und hielt mir einen zwar kurzen, aber hochinteressanten Vortrag auf arabisch; anschließend überreicht er ihn meinem Argus, dem Touristenpolizisten, der ihn sofort in seiner inneren Jackentasche verschwinden ließ. Während ich noch konsterniert und erbittert zuerst den einen und dann den anderen anstarrte, stand auf einmal der brutale Kerl vor mir und legte mir zu meiner Bestürzung schon wieder die Handschellen an.
    Nun ging die Schreierei von neuem los, aber jetzt richteten Ruschdi und Achmad nichts mehr aus, und das Ende vom Lied war, daß mich mein Argus wieder am Ellbogen packte und der brutale Kerl jetzt am anderen, und so schleppten sie mich einfach aus dem Zimmer, ohne daß ich mich noch von den zwei anderen Uniformierten hätte verabschieden können oder sowas. Aber Ruschdi und Achmad, das war nicht zu überhören, folgten uns auf dem Fuß, und das empfand ich als äußerst tröstlich. Und wohin ging's jetzt? Ganz klar: zum Dickwanst in den ersten Stock. Der war inzwischen wieder allein in seinem Riesenzimmer und hatte seine Uniformjacke wieder ausgezogen und über die Stuhllehne gehängt. Als nun unsere wilde Horde bei ihm eindrang, erhob er sich gleich wieder indigniert, zog sich seine Jacke wieder an und ließ sich genau wie beim ersten Mal so schwer in den Stuhl fallen, daß der entsetzlich krachte; aber diesmal fand ich das überhaupt nicht mehr witzig. Und das war vielleicht ganz gut so, denn damit hatte ich bei ihm jetzt möglicherweise einen Stein im Brett; jedenfalls mußte ich jetzt keinen speziellen strafenden Blick mehr einstecken. Im übrigen ging's in seiner geheiligten Gegenwart deutlich gesitteter und leiser zu, und überhaupt redete jetzt hauptsächlich mein lieber Ruschdi; die zwei Kerle, die mich immer noch an den Ellbogen festhielten, waren in erster Linie vor Ehrfurcht erstarrt.
    Ruschdi redete also. Er redete wie ein Wasserfall, und der Dickwanst hörte ihm mit größter Aufmerksamkeit zu und warf nur hie und da eine kurze Bemerkung oder eine kurze Frage ein, und es war nicht zu verkennen, daß er von Ruschdis Redefluß mehr und mehr beeindruckt war. Zugleich schaute er immer wieder auf die Uhr, und ich hatte irgendwie den Eindruck, als säße er auf Nadeln. Es dämmerte bereits, und daraus schloß ich, daß er's schon nicht mehr erwarten konnte, bis er sich, entweder hier in seinem Amt oder sonstwo, der Völlerei und eventuell auch noch weiteren Freuden ergeben durfte und daß er folglich Moslem ist. Vielleicht beschleunigte dieser Umstand die Verhandlungen; jedenfalls gab er plötzlich dem brutalen Kerl einen Wink, und daraufhin ließ der erstens meinen Ellbogen los und nahm mir zweitens die Handschellen ab. Dann gab er, nämlich der Dickwanst, dem Touristenpolizisten einen Wink, und nun ließ der meinen anderen Ellbogen los, eilte an den Schreibtisch und bezog vor ihm Aufstellung. Auf dem Schreibtisch lagen immer noch meine zwei Papyri und mein Schießeisen; jedenfalls nahm ich an, daß es meines

Weitere Kostenlose Bücher