Geliebte Myriam, geliebte Lydia
und er solle mich doch reden lassen, und es sei bisher eh viel zuwenig gewesen, was sie erklärt gekriegt hätten, und mich könne man wenigstens verstehen, und so weiter.
Da bekam Salam einen hochroten Kopf, schaute einen Augenblick mit allen Anzeichen der Verwirrung in die Runde und stürmte dann wortlos davon. Na, da waren wir, glaub' ich, alle ein wenig geschockt, aber sobald sich die Betroffenheit halbwegs gelegt hatte, fing ich, ohne auf den Vorfall noch weiter einzugehen, einfach an. Ich wies als erstes darauf hin, daß die drei Moscheen, die wir jetzt hintereinander gesehen hätten, völlig unterschiedlichen Bautypen angehörten, und wenn's nach mir gegangen wäre, so hätten wir noch einen weiteren Bautyp erlebt, nämlich den der Säulenmoschee, die sich architekturgeschichtlich von der römisch-christlichen Basilika im allgemeinen herleite. Diese Moschee hier entspreche hingegen dem in der Türkei üblichen osmanischen Bautyp, und dieser gehe auf ein ganz bestimmtes Bauwerk zurück, eines der bedeutendsten Bauwerke der Welt, nämlich die Hagia Sophia in Istanbul, die ihrerseits den Höhepunkt der frühchristlich-spätrömischen Baukunst darstelle.
Bei aller Verschiedenheit des architektonischen Rahmens sei aber die sakrale Ausstattung einer Moschee stets dieselbe. Einen Altar suche man in ihr vergeblich, denn der islamische Gottesdienst sei der Idee nach weder Opfer noch eucharistisches Mahl, sondern ausschließlich Gebet. Der wichtigste Teil einer Moschee sei deshalb die Gebetsnische - und ich zeigte auf sie -, und diese blicke stets in Richtung Mekka, das heißt also hier in Kairo: in Richtung Südosten. Sie sei stets wie ein reich geschmücktes Portal gestaltet und bedeute symbolisch tatsächlich ein Portal, nämlich das Portal zum Paradies.
An dieser Stelle wurde ich von einem erstaunten Zwischenruf unterbrochen: ob denn der Islam auch das Paradies kenne? Jawohl, der Islam kenne auch das Paradies, denn, soviel mir bekannt sei, habe er sehr viel dem Judentum und dem Christentum entlehnt, so eben auch das Paradies; und das islamische Paradies sehe in seinen wesentlichen Zügen genau gleich aus wie das jüdisch-christliche: es werde als ein von kühlen Bächen durchzogener schattiger Lustgarten beschrieben, in dem herrliche Speisen und Getränke für den Seligen bereitstehen, aber, dies nun im Gegensatz zum jüdisch-christlichen Paradies, außerdem noch die wunderschönen, verführerischen Paradiesesmädchen, die sogenannten Huris.
An dieser Stelle wurde ein vielstimmiges 'Oh' und 'Ah' laut, wobei, falls ich mich nicht getäuscht habe, das 'Oh' mehr aus dem Mund der Damen kam und das 'Ah' aus dem Mund der Herren. Und dann meldete sich eine weibliche Stimme und rief: 'Für den Seligen; und was steht für die Selige bereit?'
'Hm', machte ich und verstummte gleich wieder. Die Zwischenfrage hatte mich ganz schön verwirrt. Nach einigem Nachdenken antwortete ich dann: 'Naja, Frauen sind im islamischen Paradies offenbar gar nicht vorgesehen.' Und das gab nun wieder Anlaß zu einer kleineren hitzigen Debatte zwischen den amüsierten Herren und den weniger amüsierten Damen. Um dieser ein Ende zu machen, räusperte ich mich schließlich und meldete mich so wieder zu Wort, und sobald es wieder still geworden war, erwähnte ich als Beispiel für den Einfluß, den Judentum und Christentum auf den werdenden Islam ausgeübt haben, daß der Islam ja auch die alttestamentlichen Propheten und sogar Jesus, wenn auch nur als einen der Propheten, verehre; Mohammed bezeichne sich ja selber als einen der Propheten, allerdings als 'Siegel der Propheten', das heißt, als allerletzten Propheten. Und darum seien ja auch manche alttestamentlichen Namen bei den Moslems als Personennamen so beliebt, und wir erkennen sie nur deshalb nicht ohne weiteres als solche, weil sie meistens leicht verändert seien. Und ich gab ihnen ein paar Beispiele: Abraham - Ibrahim, Salomon - Suleyman, Mose - Musa, Ismael - Ismail. Und dazu kämen noch die Namen Jesus - Isa, Maria oder eigentlich Miriam - Myriam, Josef - Jussuf. Und diese Aufzählung gab wiederum Anlaß für allgemeines Staunen.
Hierauf wies ich darauf hin, daß wir von unserem eigentlichen Thema abgekommen seien und daß dieses die sakrale Ausstattung einer Moschee sei. Außer einer Gebetsnische Richtung Mekka sei eigentlich nur noch der sogenannte Mimbar notwendig; das sei jene hohe Treppe neben der Gebetsnische mit dem spitzen Türmchen dahinter. Er entspreche der christlichen
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