Geliebte Myriam, geliebte Lydia
und einer sagte sogar: gar nicht, verstehen könne, und wieso denn nicht ich selber die Führungen mache. Na, wenigstens ist in dieser einen Stunde der Mittagspause keinem langweilig geworden!
Anschließend führte uns Salam in das Basarviertel mit dem lustigen Namen Chan el-Chalíli. Kreuz und quer führte er uns durch ein ganzes Labyrinth enger Gassen mit zahllosen kleinen Läden und Werkstätten, wo man von der Straße aus den Handwerkern bei der Arbeit zuschauen konnte. Aber man durfte sich dabei ja nicht verschauen, sonst war man im Handumdrehen allein und in dem Labyrinth und dem Menschengewühl verloren, denn Salam nahm überhaupt keine Rücksicht darauf, daß das alles für uns ja vollkommen fremd und hochinteressant war, sondern ging unbeirrt seines Weges, und ich hatte alle Hände voll zu tun, um meine Gruppe beisammenzuhalten; und schließlich war auch der Weg selber mit Hindernissen aller Art gespickt. Und während wir auf diese Weise unserem großen Führer hinterdreinstolperten, landeten wir, bevor's uns so richtig bewußt geworden wäre, in einem piekfeinen Juwelierladen. Und sobald es uns richtig bewußt geworden war, schauten wir zuerst einmal groß oder blöd, je nachdem, das heißt, die Damen machten große Augen, und die Männer, vor allem die Ehemänner, schauten eben blöd, aber da war jetzt nichts mehr zu machen. Denn ein geschniegelter Verkäufer war bereits dabei, uns auf deutsch zu begrüßen - übrigens in weit besserem Deutsch, als es Salam sprach; ach ja, daß ich's nicht vergesse: vorher küßte er Salam ab, daß es eine Freude war, und neben mir hörte ich, wie eine Dame ihrem Mann entsetzt zuflüsterte, ob denn Salam ein warmer Bruder sei, und dann erst begrüßte er uns auf deutsch und hieß uns herzlich willkommen, und er lud uns ein, seine kleinen Kunstwerke zu besichtigen, und er sei überhaupt nicht böse, wenn wir nichts kauften; aber wenn jemand was kaufen wolle, so werde er sich sehr freuen; und so weiter, und so fort.
Naja, wir hörten uns seinen Redeschwall geduldig an, und dann gingen ein paar von uns herum und ließen sich geduldig, oder sagen wir besser: gelangweilt, das eine oder andere Schmuckstück zeigen, während die übrigen nur gelangweilt herumstanden. Und dann sagte der ältere Herr, den wir inzwischen zur Genüge kennen, plötzlich ziemlich laut und ziemlich unwirsch: 'Wann gehen wir denn wieder weiter?' Und wie auf Kommando begannen daraufhin alle aus dem Geschäft auf die Straße hinauszuströmen und warteten anschließend darauf, daß Salam den Rundgang fortsetzen würde. Und das tat er dann auch, aber mit einem Gesicht - na, mit einem Gesicht zum Fürchten. Offenbar hatte er gehofft, daß möglichst viele von uns was kaufen würden und er dafür eine fette Provision einstreifen könnte; und die war ihm jetzt also durch die Lappen gegangen.
Apropos Fortsetzung des Rundgangs: dreimal dürft ihr raten, wohin uns Salam als nächstes hinführte. Es ging schnurstracks wieder zum Bus zurück. Naja. Nun zeigte mir der Stadtplan in meinem Führer, daß an eben dem Platz, auf dem unser Bus geparkt war, die Al-Ashar-Moschee steht, eine der bedeutendsten Moscheen von Kairo. Also sprintete ich nach vorne und fragte Salam mit aller gebührenden Ehrfurcht, ob wir diese besichtigen würden. Er warf mir einen, so kam mir vor, bitterbösen Blick zu und meinte nur lakonisch, die stehe nicht auf dem Programm. Ja, aber sie sei doch sehr schön und sehr bedeutend, nicht wahr? Wiederum die lakonische Antwort, ich hätte nicht über das Programm zu befinden. Und da waren wir auch schon auf dem Platz angekommen und standen vor unserem Bus, und Machmut begrüßte mich wieder freudig und schlug mir sogar lachend auf den Rücken, und ich schlug ihm lachend auf den Rücken, und zugleich war mir überhaupt nicht nach Lachen zumute, und ich überlegte krampfhaft hin und her, was ich tun solle. Die Schwierigkeit bestand unter anderem darin, daß die Al-Ashar-Moschee genau am anderen Ende dieses recht ausgedehnten Platzes steht und noch dazu eine äußerst verkehrsreiche Straße zu überqueren ist; daß es eine Unterführung gibt, wußte ich damals noch nicht.
Na, um es kurz zu machen: durch mein Zögern verspielte ich meine ganze Chance, die Al-Ashar-Moschee selber zu sehen und meinen Leuten zu zeigen, denn diese waren inzwischen alle brav und folgsam eingestiegen, und man wartete nur mehr auf mich. Hätte ich ihnen jetzt sagen sollen: Leutln, steigt noch einmal aus, Salam will's zwar
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