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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Unterhaltsamste am ganzen Abend, und dabei waren die für alle völlig gratis. Über die Bäuche und sonstigen Körperteile der 'Bauchsolistinnen', wie er sich ausdrückte - er ist nämlich Orchestermusiker von Beruf, Bratschist, wenn ich nicht irre -, über die Trillerlaute der Folkloresängerinnen, über die orientalische Musik, über unsere Sitznachbarn und -nachbarinnen, über die Tatsache, daß es nichts Alkoholisches zu trinken gab, nicht einmal Bier, aber zum Beispiel auch keine Milch - überall gab Freund Götzi seinen Senf dazu, und für mich war sein Senf tatsächlich das Salz in der Suppe, falls man das so sagen kann - in einer Suppe, die ohne Götzis Salz oder Senf wohl reichlich fad geschmeckt hätte.
    Halt, nein - stimmt nicht ganz! Da war noch etwas, was mir die Suppe ein klein wenig würziger gemacht hat. Weil ich gerade unsere Sitznachbarn und vor allem -nachbarinnen erwähnt habe: unter den Letztgenannten gab's nämlich eine, die war unwahrscheinlich hübsch, ein Bild für Götter, wie man so schön sagt. Also, ich glaube nicht, daß ich sonst jemals eine so schöne Frau in natura gesehen habe, noch dazu so nah und einen ganzen Abend lang. Eine Einheimische übrigens, oder jedenfalls eine Orientalin - unverkennbar. Leider saß ich ein wenig ungünstig, so daß ich meinen Kopf zur Seite wenden mußte - das ist das, was man 'sich verschauen' nennt, nicht? Ja, also, ich gesteh's, ich kam direkt in Gefahr, mich zu verschauen, und was mir bei ihrem Anblick für Gedanken durch den Kopf gingen, das kann ich euch gegenüber gar nicht laut aussprechen ...“
    „He, wieso denn nicht?“ wirft die Henne ein, und Johnny fragt amüsiert: „Ich dachte, wir hätten keine Geheimnisse voreinander? Hat sich das geändert?“
    „Aber nein, natürlich hat sich das nicht geändert!“ beeilt sich Giggerle, leicht perplex, zu versichern und fährt nach kurzer Nachdenkpause fort: „Seht ihr, so stark stehe ich selber immer noch unter dem Einfluß der vielbeklagten christlichen Leibfeindlichkeit! Indirekt hab' ich's ja deutlich genug gesagt, was für Gedanken mir bei dem Anblick dieser Frau durch den Kopf gegangen sind, nicht wahr, und ihr habt bestimmt genau verstanden, was ich gemeint habe - hab' ich recht? Aber eben nur indirekt - der Sprachwissenschaftler würde sagen 'verhüllend' -, und genau genommen ist das eine entsetzliche Heuchelei, ein So-Tun-als-ob: man tut nach außen so, als ob man 'anständig' wäre, aber in Wirklichkeit ... Ja, und dieses ganze Theater nur, weil die Gedanken, die mir damals durch den Kopf gingen und zwar, wohlgemerkt, ungerufen durch den Kopf gingen, laut christlichem Religionsunterricht 'unkeusch' und damit verwerflich, das heißt, sündig waren und wahrscheinlich vom Teufel höchstpersönlich geschickt worden waren. Und was eben daran zu sehen ist: von diesen Vorurteilen gegen Sexualität kann man sich freimachen, soviel man will - im Unterbewußtsein stecken sie nach wie vor drin, und solange das so bleibt, wird auch unsere Redeweise und natürlich auch unsere Literatur innerlich total verklemmt bleiben, und wenn sie sich nach außen noch so freizügig und hemmungslos gibt. Beweis gefällig? Die vorchristliche Literatur kennt diese unterbewußte Verklemmtheit und damit diese Heuchelei naturgemäß nicht. Zum Beispiel Homer: der berichtet in der Odyssee an einer Stelle, wie Penelope, ausgeruht, frisch gewaschen, geschminkt und parfümiert, unter die Freier tritt:
    '... da stieg sie hinab vom oberen Stockwerk, nicht allein; mit ihr gingen die beiden Dienerinnen. Doch als sie nun zu den Freiern kam, die göttliche unter den Frauen, trat sie neben den Pfeiler des festgezimmerten Daches, zog sich das schimmernde Kopftuch vor die Wangen, und neben sie trat zu beiden Seiten je eine der sorgsamen Dienerinnen.'
    So, und jetzt kommt's! Hat Homer im folgenden geschrieben:
    'Doch was den Freiern bei ihrem Anblick für Gedanken durch den Kopf gingen, das kann ich gar nicht laut aussprechen, sondern bleibt mein unergründliches Geheimnis'?
    O nein! Sondern was Homer in Wirklichkeit geschrieben hat, ist, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, folgendes:
    'Doch den Freiern lösten sich auf der Stelle die Knie, und von süßem Verlangen wurden sie in ihrem Herzen bezaubert, und alle wünschten sie sich, bei ihr im Bette zu liegen'! xxx
    Zufrieden? Ja, das waren also in etwa die Gedanken, die auch mir damals durch den Kopf gingen, als ich diese rassige Schönheit betrachtete und gleichzeitig meine

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