Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Blicke zu verheimlichen suchte; denn einer fremden Frau nachschauen oder sich gar in sie verschauen, genau das soll man ja im Orient nicht, hatte ich irgendwo gelesen, sonst erregt man schneller, als es einem lieb ist, die hitzige Eifersucht des Ehemanns oder Verlobten oder was auch immer.“
Aber zurück zu meinem Hauptthema! Das ist im Moment, wenn ihr euch erinnert, Freund Götzi, und ich war ja eigentlich dabei zu berichten, wie er überall seinen Senf dazugab und uns alle mit seinen witzigen Kommentaren amüsierte und mich gleichzeitig davor bewahrte, Opfer orientalischer Eifersucht zu werden. Aber nicht nur durch seine Äußerungen trug er zu meiner Erheiterung bei, sondern mindestens im gleichen Ausmaß auch noch durch sein persönliches Verhalten. Ja, durch welches Verhalten denn, werdet ihr fragen. Antwort: durch ein sogenanntes Balzverhalten. Jawohl: Götzi balzte. Und wie er balzte! Es war für einen Eingeweihten wie mich einfach göttlich, ihm bei seinen Balzgesängen zuzuhören und bei seinen Balztänzen zuzuschauen, und das war für mich, wenn ich ehrlich sein soll, weit interessanter als sämtliche Folkloretänze und Bauchtänze auf der Bühne! Und wer war nun eigentlich die Angebalzte? Na klar, unsere liebe Lydia natürlich, die zwar, ganz im Gegensatz zu unserer lieben Babsi, gar nicht irgendwie aufgemascherlt war oder so und zu meinem Bedauern nicht einmal ihren süßen Minirock anhatte, aber trotzdem zugegebenermaßen ungleich süßer aussah als die, wie wir ja schon gehört haben, auf das allerliebste aufgemascherlte und miniberockte Babsi. Und die? Na, die machte natürlich ein langes Gesicht; denn wozu hatte sie sich denn extra so schön gemacht und die anderen dafür sogar noch warten lassen? Der Herr Heuberger fiel sowieso aus; schließlich hatte er seine bessere Hälfte dabei. Unser lieber Götzi balzte zwar eifrig und mit Hingabe, aber eben nicht um sie, sondern ärgerlicherweise um eine, die sich überhaupt nicht extra hergerichtet hatte. Und ich? Na, ich war doch der Reiseleiter und mußte als solcher selbstverständlich 'neutral' sein, oder wie man das nennt; und wie wir schon wissen, war die liebe Babsi ohnehin nicht ganz mein Typ, und wäre ihr Miniröckchen doppelt so mini gewesen. Bei der lieben Lydia wäre das natürlich ganz was anderes gewesen, aber die war ja nun offensichtlich bereits vergeben.
Ja, das wär's im wesentlichen, was ich von dem Folkloreabend zu berichten habe ... Ist was?“
Giggerle unterbricht sich, da er merkt, daß seine Zuhörer irgendwie unruhig geworden sind, und blickt fragend vom einen zum anderen. Die Henne kratzt sich hinterm Ohr und sagt schließlich vorwurfsvoll: „Wie ein kleiner Macho redest du daher! Wie ein Patriarch oder wie ein Faschist! Und dabei haben wir dich immer für einen aufgeklärten, liberalen Typ gehalten, gelt, Johnny!“
Und während Johnny zustimmend nickt, sagt Giggerle ganz bestürzt: „Wie kommst du denn ...“
Aber die Henne läßt ihn nicht ausreden, sondern erklärt lachend: „Naja, sicher wieder nur das Unterbewußtsein, würde ich sagen!“
„Aber ...“
„Schau: überleg einmal, was du gesagt hast: der liebe Götzi balzt um die liebe Lydia, und drum ist die liebe Lydia jetzt offensichtlich vergeben ... Fällt dir was auf?“
Da leuchtet Giggerles Gesicht auf, er greift sich an den Kopf und sagt lachend: „Ah - ich versteh' schon! Na, du hast natürlich vollkommen recht, und da dürfte in meinem Unterbewußtsein tatsächlich noch manches Patriarchalische, um nicht zu sagen: Faschistoide, stecken, und in unbedachten Momenten bricht's dann eben hervor. Also, was du damit sagen willst: hat denn unsere liebe Lydia zu der Frage, ob sie vergeben ist oder nicht vergeben ist, nicht selber auch noch ein Wörtchen mitzureden? Stimmt's?“
Und die anderen nicken heftig.
„Ja, also, um ganz ehrlich zu sein, übertrieben beeindruckt schien sie eigentlich nicht zu sein. Es wäre zwar zuviel gesagt, wenn ich behaupten wollte, sie habe ihm die kalte Schulter gezeigt. Das hat sie sicher nicht. Sie war auch nicht unfreundlich zu ihm - bestimmt nicht. Aber daß sie nun etwa Feuer gefangen hätte - nein, das könnte man nicht behaupten. Gelegentlich kam mir sogar vor, als ob sie mir mehr Beachtung schenkte als ihm. Also, wißt ihr, was ich euch sage? Das mit dem Vergeben-Sein war, vermute ich, doch kein unbedachtes Hervorbrechen meines immer noch faschistoiden oder patriarchalischen Unterbewußtseins, sondern eher ganz einfach
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