Geliebte Myriam, geliebte Lydia
wartete unser Polizeiauto bereits, und unsere beiden Freunde und Helfer standen mit Machmut zusammen und tratschten mit ihm und machten große Augen, als Machmut ihnen unsere neue Führerin vorstellte. Dann begrüßte Machmut mich, und wißt ihr, wie? Genauso, wie am Vortag der Juwelenverkäufer unseren lieben Salam begrüßt hatte! Er überschüttete mich zuerst mit einem tollen Wortschwall, und dann packte er mich an den Schultern und drückte mir ein Bussi auf die linke Wange und ein Bussi auf die rechte Wange. Und ich dachte, mich trifft der Schlag, und als nächstes dachte ich, hoffentlich hat das keiner von meinen Leuten gesehen, und erinnerte mich an den entsetzten Kommentar der Frau Heuberger am Vortag im Juwelierladen - sie war's nämlich gewesen, die das mit den warmen Brüdern ihrem Mann zugeflüstert hatte; und ich erinnerte mich an meine eigene Vermutung, der Verkäufer mache das wahrscheinlich nur, weil Salam eben so ein fescher Kerl sei - aber dann verstand ich nicht, weshalb Machmut das bei mir macht! Und - o Schreck - unsere neue Führerin! Die stand da und schaute uns zu und lachte übers ganze Gesicht! Na, die muß ja von mir eine schöne Meinung kriegen! Plötzlich hörte sie zu lachen auf und sagte zu mir: 'Machmut hat mir schon von dir vorgeschwärmt und berichtet, wie nett du seist ... Warum bist du auf einmal so rot?'
Na, das verriet ich ihr natürlich nicht, sondern sagte zu Machmut: 'Jalla! Jalla!' - das heißt auf deutsch 'Avanti! Avanti!' -, und siehe da, ich hatte mir den Ausdruck ganz offensichtlich richtig eingeprägt, denn er wirkte! Machmut schlug mir lachend auf die Schulter, sagte irgendwas Arabisches als Antwort, spuckte in die Hände und klemmte sich hinter sein Lenkrad. Ebenso lachten die beiden Polizisten und verschwanden in ihrem Auto. Nun stiegen als letzte unsere charmante Führerin und ich in den Bus, und ich zählte die Häupter meiner Lieben und sagte anschließend zu Machmut 'Tamám'. Und während dieser losfuhr, ergriff ich das Mikrophon und stellte nun meinen Leuten unsere neue Führerin Myriam sozusagen offiziell vor und übergab es ihr dann sofort, um nicht gleich zu Beginn bei ihr Anstoß zu erregen; denn so nett sie aussah, man wußte ja nie ... Ich kannte sie ja noch überhaupt nicht, und wer weiß, vielleicht nahm sie's einem genauso übel wie Salam, wenn ihr das Mikrophon ... Am Ende ist das eine Frage der Ehre, und die Ehre - so viel wußte ich schon aus meiner Vorbereitung - spielt im Denken der Orientalen eine unheimliche Rolle.
Übrigens sprach sie auch nicht lange. Nanu, schon fertig? Das war ja kaum besser als mit Salam! Aber ganz im Gegensatz zu Salam setzte sie sich jetzt nicht auf den Reiseleitersitz, um den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen, sondern fragte mich zunächst einmal, ob sie sich kurz zu mir setzen dürfe. Oh, sehr gerne! rief ich entzückt aus und rückte ein kleines Stück Richtung Götzi, und sie setzte sich auf den freigewordenen schmalen Streifen - ganz neben mich! Naja, viel Platz benötigte sie ja nicht; sie war nämlich genauso zaundürr wie ich - o pardon: bei Damen, besonders hübschen, sagt man natürlich nicht 'zaundürr', sondern 'gertenschlank' oder 'grazil', nicht wahr? Und was hat sie nun vor? Oh, mit mir das Programm zu besprechen! Na, das ist aber nett! Ja, ob ich was dagegen hätte, daß sie das heutige Programm in der ihr gewohnten Abfolge durchführe, und sie erklärte mir diese. O nein, versicherte ich ihr, höchst angenehm überrascht, das sei mir selbstverständlich vollkommen recht. Und um sie wegen ihrer Ehre zu beruhigen, versicherte ich ihr weiters, daß ich das Mikrophon nur dann benutzen wolle, wenn's ihr recht sei.
Da lächelte sie mich wieder mit ihrem so bezaubernden Lächeln an und sagte: 'Ah, Herr Mohammed hat erwähnt, daß du ein sehr umfangreiches Fachwissen hast und unseren Gästen daher ebenfalls manches erklären möchtest. Nein, da habe ich selbstverständlich nichts gegen' - so hat sie das übrigens wirklich gesagt, und ich dachte damals, schau, schau, sie spricht ja doch nicht gar so korrekt; erst mit der Zeit merkte ich, daß das Norddeutsch ist und daß sie das so in der Schule gelernt hatte, und wenn ich anfangs den Eindruck hatte, sie spreche akzentfrei, so stimmte das gar nicht; sie sprach nämlich mit unüberhörbarem norddeutschem Akzent - also: '... da habe ich selbstverständlich nichts gegen, im Gegenteil, ich würde mich freuen, wenn ich von dir noch etwas lernen könnte! Man
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