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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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lernt nämlich nie aus. Und wenn du etwas erklären oder vorlesen möchtest, dann setzt du dich natürlich einfach zu mir auf den Reiseleitersitz! Ich glaube, wir sind beide schlank genug, um nebeneinander auf ihm Platz zu haben. Ja?'
    Und damit erhob sie sich und setzte sich auf den Reiseleitersitz, sagte irgendwas zu Machmut und ergriff sodann wieder das Mikrophon und begann zu sprechen - und ich, ich hörte sie sprechen und hatte gleichzeitig überhaupt keine Ahnung, wovon sie sprach, so perplex war ich und so heftig mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt. Ich war einfach überwältigt und fragte mich allen Ernstes - lacht nicht! -, ob ich ihr gefalle, ja, ob sie gar auf mich scharf sei. Und ich schaute ihr verzückt zu, wie sie ihre Lippen bewegte und wie sie ihren Kopf graziös hielt und wie sie ihre Worte mit anmutigen Gesten begleitete; und jetzt erst wurde mir bewußt, was für edle, feingliedrige Hände sie besaß, und jetzt erst sah ich, was für ein edles, feingeschnittenes Profil sie ihr eigen nannte - ein Pharaonenprofil, schoß es mir durch den Kopf, das Profil der Nofretete! Das Profil der Kleopatra!
    Ja, ja, so verzückt war ich von ihrem Anblick, daß ich mich, ähnlich wie am Vorabend beim Bauchtanz, einfach verschaute; und jetzt durfte ich ja sogar. Und so bezaubert war ich gleichzeitig von ihrem Charme und ihrem offenen, gewinnenden Wesen, und ihre körperliche Nähe vorhin hatte mich vollends verzaubert oder - wie soll ich sagen - entflammt oder mir das Blut in Wallung versetzt ... Ihr sollt nicht lachen, hab' ich gesagt! Na, mit anderen Worten, ich glaubte richtig zu spüren, wie mein Herz von einem scharfen Pfeil getroffen worden war - durch das geschlossene Fenster hindurch! War das ein hinterhältiger Terroranschlag der Fundamentalisten? Nein, natürlich nicht, die schießen ja wohl nicht mit Pfeilen durch die Gegend. So was macht heutzutage nur mehr Gott Eros.
    Und während ich weiterhin an den Lippen und Händen dieses Zaubermädchens hing und ihr Pharaonenprofil bewunderte, wurde mir einen Augenblick lang bewußt, daß ich sie ja reden hörte und den Sinn ihrer Worte noch immer nicht begriff und daß mein Herzklopfen ihre Worte übertönte; und ob ihr's glaubt oder nicht, in diesem Moment mußte ich an ein berühmtes Fragment der Sappho denken, in dem sie ein Mädchen mit folgenden erstaunlichen Worten anspricht: 'Dieser Mann dort scheint mir den Göttern gleich zu sein, der dir gegenüber sitzt und dich ganz nah süß plaudern und bezaubernd lachen hört. Mir aber erschüttert es das Herz in der Brust, denn wenn ich dich nur kurz anschaue, versagt mir die Stimme, sondern meine Zunge erstarrt, feines Feuer läuft mir über die Haut hinab, mit den Augen seh' ich gar nichts mehr, mir dröhnen die Ohren, Schweiß rinnt über mich hinab, ein Zittern packt mich als Ganze, grüner bin ich als Gras und komme mir selber fast so vor, als wär' ich tot.'
    Die Gedichte der Sappho sind mir nämlich nicht nur deshalb so geläufig, weil sie einfach schön und wahr sind, sondern weil die meisten auf Papyrusfragmenten im ägyptischen Wüstensand gefunden worden sind und die griechische Papyrologie, wie ich, glaub' ich, schon einmal erwähnt habe, ja mein zweites Hobby ist. Und was die Sappho in diesen Versen beschreibt, entsprach nun so genau meinem momentanen Zustand, daß ich innerlich direkt schmunzeln mußte - klingt reichlich unwahrscheinlich, ich weiß, aber so war's! Und dann mußte ich noch einmal innerlich schmunzeln, wie ich mir nämlich klar machte, daß die Sappho als Frau ... naja, daß das bei ihr ja eben die Art von Liebe ist, die nach ihrer Heimatinsel Lesbos benannt wird, und daß die Symptome bei mir trotzdem haargenau dieselben waren.“

    Und wie sie mich anschaut! Und hat sie nicht eben meinen Namen genannt? Hoppla, sie hat mich ja was gefragt! Mit einem Schlag bin ich wieder voll da. Ob wir einen Fotostopp machen sollen? Einen Fotostopp? Ja, ja, natürlich! Na klar, selbstverständlich machen wir einen Fotostopp! Na, ich war nicht schlecht durcheinander. Der Götzi blickte mich ganz besorgt an und fragte, was denn mit mir los sei. 'Ah, nicht jetzt!' gab ich ihm zur Antwort. 'Frag mich ein anderes Mal!' Er schüttelte leicht verwundert den Kopf, sagte aber zum Glück nichts weiter.
    Also einen Fotostopp! Was gab's denn eigentlich zu bewundern? Ah, die Pyramiden! Na, da werden sich die Fotografen unter unseren Leuten aber freuen! Ein herrlicher Blick auf die drei sogenannten großen

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