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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Faszination, die für mich von Myriam ausging, funktionierte wieder, oder: ich war auf einmal wieder total von ihr hingerissen, und was dazwischen vorgefallen war, das zählte nicht mehr, und auch die Sache mit dem Verehrer ließ mich völlig kalt. Während wir wieder Richtung Kairo oder genauer Richtung Pyramiden zurückfuhren, hingen meine Augen und zugleich auch meine Seele an ihrem - naja, meistens an ihrem Hinterkopf und an ihren schwarzen Haaren und nur relativ selten an ihrem Pharaonenprofil; denn ich saß genau wie am Anfang auf meinem eigentlichen Sitz hinter ihr. Da war ich nämlich schon seit dem verunglückten Kamelritt gesessen, weil ich mich nicht mehr getraut hatte, mich zu ihr zu setzen, und sie mich nicht mehr dazu eingeladen hatte. Und sie war immer noch auffallend schweigsam und begann in dieser Hinsicht langsam dem Salam unseligen Angedenkens Konkurrenz zu machen. Na gut, meinen Leuten fiel's vielleicht gar nicht so richtig auf, denn es gab ja eh so viel zu schauen; aber mit der Zeit dachte ich mir, jetzt wäre eine gewisse Vorbereitung auf die Pyramiden durchaus geboten. Und gleichzeitig wuchs, wie schon gesagt, in mir das Bedürfnis, neben ihr zu sitzen und ihr nahe zu sein, ins Unermeßliche.
    Und nachdem ich lange genug mit mir gekämpft hatte, suchte ich mir einige Unterlagen aus meiner Tasche heraus, gab mir einen Ruck, stand auf, beugte mich zur Myriam vor und fragte sie, ob's ihr was ausmachen würde, wenn ich mich wieder zu ihr setze und einen kleinen Vortrag halte. Da war sie sofort von meinem Vorschlag hellauf begeistert und zugleich etwas zerknirscht, weil sie in der letzten Zeit so furchtbar schweigsam gewesen sei; eigentlich hätte sie schon längst selber was erzählen müssen, nicht wahr? Na, ich tröstete sie: das sei genauso meine Aufgabe; und dabei berührte ich sie ganz leicht am Unterarm, und ich kann vermelden: dagegen wehrte sie sich überhaupt nicht, und sie verwahrte sich auch nicht dagegen, und das tat mir überaus wohl.
    Dann ergriff ich das Mikrophon, bat meine Leute um Aufmerksamkeit und erklärte, daß wir in Kürze vor einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten unserer Reise stehen würden, wenn nicht vor der wichtigsten überhaupt, einem der Weltwunder der klassischen Antike, dem einzigen, das heute noch aufrecht stehe; und es habe heute noch genauso als Weltwunder zu gelten wie zur Zeit der alten Griechen: die Pyramiden von Gizeh, auch die Großen Pyramiden genannt. Und darum müsse ich sie unbedingt auf diese einstimmen und entsprechend vorbereiten.
    Im Gegensatz zu der kleinen Pyramide, die wir heute schon besucht haben und die späteren Datums ist, sagte ich weiter, finden sich in den drei Großen Pyramiden keine Inschriften, und wir besitzen auch sonst keinerlei Aufzeichnungen, Pläne oder sonstige Mitteilungen aus dem alten Ägypten, die uns über Bau, Bestimmung und so weiter irgendwelche Aufschlüsse geben. Die einzige Ausnahme ist der Bericht eines Fremden, der Ägypten im 5. Jahrhundert vor Christus bereist und seine eigenen Eindrücke sowie die Erzählungen der Priester sorgfältig aufgezeichnet hat. Es ist der griechische Forschungsreisende und Historiker Herodot, der, weil sein umfangreiches Opus das älteste Geschichtswerk der Welt ist, seit der Antike als Vater der Geschichte tituliert wird. Und dessen ausführlicher Report über Ägypten ist nicht nur eine spannende Lektüre und darüber hinaus unentbehrlich für jeden, der sich ernsthaft mit dem alten Ägypten beschäftigt, sondern enthält, wie gesagt, den ältesten Bericht über die Großen Pyramiden und den überhaupt einzigen, der direkt auf altägyptische Quellen zurückgeht, denn er steht in dem Teil von Herodots Ägyptenbuch, in dem er laut eigenen Angaben die Geschichte Ägyptens so erzählt, wie er sie von den ägyptischen Priestern gehört hat.
    An dieser Stelle sollte vielleicht nicht unerwähnt bleiben, daß wir sehr viele Namen aus der ägyptischen Kultur in der Form verwenden, wie sie uns Herodot und andere griechische Autoren überliefert haben, so daß sie wie griechische Namen klingen. Ich erwähne nur die Namen Ägypten, Memphis, Nil und eben Pyramide, und dazu auch die Namen der Erbauer der drei Großen Pyramiden, nämlich Cheops, Chephren und Mykerinos. Erst seit der Entzifferung der Hieroglyphen kennen wir die ägyptische Form dieser Namen, nämlich Chufu, Chaef-Re und Menkau-Re (oder so ähnlich).
    Was den Wert von Herodots Mitteilungen betrifft, so sind die Ansichten der

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