Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
die Zitadelle Kairos zu gewinnen. Im 14. Jahrhundert sah ein Reisender aus Deutschland die Seiten der Cheopspyramide zur Hälfte abgedeckt, und die Arbeiter waren gerade damit beschäftigt, die Steinblöcke der Außenverkleidung von oben in die Tiefe poltern zu lassen. Und damit ist der von Herodot zutreffend beschriebene Stufenbau zutage getreten.
    Höchste Bewunderung verdient die technische Leistung des Pyramidenbaus und dessen selbst mit den Mitteln modernster Technik kaum erreichbare Genauigkeit. Dabei ist zu bedenken, daß Herodots Gewährsleute mit der Behauptung, daß Kräne und Eisenwerkzeuge verwendet worden seien, ihm damit, bewußt oder unbewußt, sicher einen Bären aufgebunden haben. Denn in der Mitte des 3. Jahrtausends vor Christus war Eisen noch unbekannt, abgesehen vom seltenen Meteoriteneisen, und ebenso war der Kran oder Flaschenzug noch nicht erfunden, aber auch zum Beispiel das Rad noch nicht. Wie sind also die Pyramiden gebaut worden? Nun, trotz der zahlreichen Untersuchungen und intensiven Forschungen müssen wir uns ehrlich eingestehen, daß wir über die Technik und Methoden ihres Baus praktisch nichts Sicheres wissen. Dabei hilft uns, wie wir gesehen haben, auch Herodots Bericht nicht weiter. Nicht einmal die uns erhaltenen Werkzeuge oder deren Darstellungen helfen viel weiter. Aber ein vollkommenes Rätsel ist der von Herodot so ausführlich geschilderte Transport der riesigen Steinquadern in eine Höhe von bis zu 146 Metern und ihre Verlegung. Allgemein wird angenommen, daß am Anfang mit Rampen oder Anschüttungen von allen Seiten her gearbeitet wurde. Jedoch ab einer Höhe von nur 20 Metern war diese Methode wahrscheinlich nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt durchführbar. In jüngster Zeit sind zeichnerisch mehrere Modelle für Pyramidenrampen entwickelt worden, aber alle haben sie irgendeinen Pferdefuß.
    Und schließlich also die Sphinx. Es gibt in der Kunstgeschichte der Welt nichts Erstaunlicheres als dieses der Ewigkeit zugewandte, von einem Kopftuch umrahmte Gesicht eines Mannes, möglicherweise des Chephren, mit dem Leib eines Löwen, aus dem gewachsenen Felsen herausgemeißelt. Es ist die größte Skulptur, die uns das Altertum hinterlassen hat, und zugleich auch die rätselhafteste. Denn obwohl sie zu den Anlagen der Chephrenpyramide zu gehören scheint, ist ihr Sinn als Verkörperung des Chephren alles andere als sicher, und so darf es nicht verwundern, daß es über sie die unterschiedlichsten Vermutungen gibt; zuletzt wollen amerikanische Forscher gar herausgefunden haben, daß sie weit älter sei als bisher angenommen und schon zwischen 7000 und 5000 vor Christus entstanden sei. Ein Rätsel ist es auch, daß sie von Herodot überhaupt nicht erwähnt wird. Manche erklären es mit der Annahme, daß sie damals vollständig vom Wüstensand zugedeckt gewesen sei. Tatsächlich mußte man sie immer wieder von den Sandmassen befreien; die letzte derartige Aktion fand im Winter 1925/26 statt.
    Soweit also das Wichtigste aus Myriams Vortrag. Als sie geendet hatte, erhob sich unter ihren Zuhörern zunächst befriedigter Applaus. Aber danach meldete sich Herr Heuberger zu Wort und fragte, ob er eine Frage stellen dürfe. Ja, selbstverständlich durfte er. Also: warum sie immer 'die Sphinx' sage? Nach allem, was er bisher gehört habe, heiße es richtig 'der Sphinx', und sie habe ja selber ausdrücklich betont, daß es sich um das Gesicht eines Mannes handle.
    Daraufhin schaute unsere liebe Myriam etwas verwirrt drein und antwortete nach kurzem Überlegen, o ja, er habe schon recht, es sei ein männliches Gesicht, und man könne natürlich auch 'der Sphinx' sagen; aber sie sei es gewohnt zu sagen 'die Sphinx'. Ja gut, aber das sei doch offensichtlich falsch, und wie könne sie nur als Fremdenführerin falsche Dinge von sich geben?
    Nun schaute Myriam nicht nur verwirrt, sondern wußte auch keine Antwort mehr und war sichtlich den Tränen nahe. Da fand ich, daß ich ihr helfen müsse, stand auf, ging nach vorne, fixierte den Herrn Heuberger und begann: 'Darf ich das erklären? Ich fühle mich nämlich für diese Frage zuständig, weil 'Sphinx' ein griechisches Wort ist, und zwar ein echt griechisches, nicht ein ägyptisches in griechischem Gewand wie 'Pyramide'. In der griechischen Sage ist die Sphinx, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, ein Ungeheuer mit einem Frauenkopf und dem Leib eines geflügelten Löwen. Von ihr wird erzählt, daß sie vor dem Stadttor von Theben hockte; und

Weitere Kostenlose Bücher