Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
Handlungsweise seines Vaters, und er öffnete die Tempel wieder und ließ das bis zum Äußersten gequälte Volk seinen Arbeiten und Opferfesten nachgehen ... Eine Pyramide hat auch dieser hinterlassen, eine viel kleinere als sein Vater. Sie ist quadratisch, und an jeder Seite fehlen 20 Fuß auf drei Plethren (das heißt: die Seitenlänge beträgt 80,64 Meter) und besteht zur Hälfte aus äthiopischem Stein.
    Ja, das war's im wesentlichen, und Myriam zeigte sich zu meiner Freude ziemlich beeindruckt von meiner Übersetzung; so genau, sagte sie, habe sie Herodots Bericht noch nie gehört. Naja, wenn sie dafür ein bisserl zugänglicher würde, so sollte mir's recht sein! Aber jetzt zweigte Machmut von der Hauptstraße nach links ab, und es ging im Schneckentempo oder noch langsamer durch ein belebtes Dörfchen hindurch. Und dann war das Dörfchen auf einmal zu Ende, und vor uns tat sich das herrlichste und phantastischste Bild auf, das man sich nur vorstellen kann: direkt vor uns die größte und berühmteste Skulptur, die uns das alte Ägypten hinterlassen hat, die Große Sphinx von Gizeh, und dahinter erheben sich etwas erhöht, nämlich auf dem von Herodot erwähnten Hügelplateau, die Wunderwerke der drei Großen Pyramiden. Wir bleiben auch sofort stehen und steigen aus, und nun flippen als allererstes unsere Fotografen aus, und die Nichtfotografen stehen einfach da und reißen Augen, Mund und Nase auf, und wer weiß, welche Körperöffnungen sonst noch. Und weil der Anblick so schön und überwältigend ist, hat man auf der freien Sandfläche vor uns Stühle aufgestellt, wie im Kino oder aber wie in der Kirche, und sobald die Fotografen genügend ausgeflippt sind und die Nichtfotografen genügend lang ihre Augen und so weiter aufgerissen haben, treibt uns Myriam auf diese Stühle zu und ersucht uns, uns möglichst geschlossen zusammenzusetzen; denn sie werde uns jetzt was Schönes erzählen. Und das machen unsere Leute gern, denn sowas sind sie ja, wie ich schon einmal erwähnt habe, von den Kirchen her gewohnt.
    Ja, und damit begann ein langer, ausführlicher und hochinteressanter Vortrag, von dem ich nur die wichtigsten Punkte oder, wie's auf Neudeutsch so schön heißt, die Highlights, herausheben möchte. Als erstes besprach sie die Entstehungszeit: es seien Bauten des Alten Reiches, genauer: der 4. Dynastie, die, wie man heute wisse, in die Mitte des 3. Jahrtausends vor Christus zu datieren sei. Wenn also Napoleon seinen Soldaten angesichts der Pyramiden zurief: 'Soldaten! Vierzig Jahrhunderte blicken auf euch herab!', so war das immer noch zu niedrig gegriffen. Diese Pyramiden der 4. Dynastie sind unter allen ägyptischen Pyramiden die vollkommensten. Sie sind echte Weltwunder nicht nur in der Vollendung der Form und in der Beherrschung der Bautechnik, sondern auch als Ausdruck eines geschlossenen Weltbildes. Die Pyramide ist nämlich stets als Symbol und Gleichnis des ägyptischen Staates mit dem Gottkönig an der Spitze gesehen worden, und ihre Funktion, ihr Sinn war zweifelsfrei eine Monumentalisierung des Grabes für den Gottkönig, wobei möglicherweise auch irgendwelche kosmischen Aspekte eine Rolle spielten; jedenfalls sind sämtliche Pyramiden des Alten Reiches im Prinzip mit ihren vier Seiten nach den vier Himmelsrichtungen orientiert. Die Abweichungen in dieser Orientierung sind nur ganz gering, am allergeringsten bei der Cheopspyramide; die exakte Bestimmung der Winkel ihrer Ecken gilt mit Recht als absolutes Wunder der altägyptischen Bautechnik. Außerdem liegen die Cheopspyramide, rechts von uns, und die Chephrenpyramide, hinter der Sphinx, genau in einer Linie, das heißt, die Südwest-Nordost-Diagonale bildet bei beiden exakt dieselbe Linie. Sie sind die größten je erbauten Pyramiden, und der Weg um jede einzelne von ihnen beträgt fast einen Kilometer. Sie waren auch viele Jahrhunderte lang die höchsten Bauwerke der Menschheit, die Cheopspyramide mit einer Höhe von 146,60 Meter und die des Chephren mit einer Höhe von 143,50 Meter. Leider sind sie heute niedriger: die des Cheops ist nur mehr 137,18 Meter hoch, die des Chephren 136,40 Meter. Denn während sie Herodot noch mit einer glatt polierten Außenverkleidung gesehen hat, fehlt diese heutzutage fast zur Gänze. Soviel man weiß, hat man im Mittelalter begonnen, sich an dieser zu vergreifen. Mit wenig Mühe und sehr viel Verwüstung waren hier wunderschön zugehauene Steinblöcke für die Paläste, Moscheen und Stadtmauern und für

Weitere Kostenlose Bücher