Geliebte Myriam, geliebte Lydia
mehr, sondern wirkten fast ein wenig enttäuscht. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, so fühlte ich mich auch ein wenig enttäuscht, trotz der Lobsprüche, die jetzt massiv auf mich niederprasselten, denn sowas kann der Götzi gut. Zu allem Überfluß leistete uns über kurz oder lang auch die liebe Babsi Gesellschaft, und bald danach schlich sich der Herr Heuberger an und erklärte sich vollkommen zerknirscht für geschlagen und schwur gleichzeitig den Verbreitern dieses intellektuellen Mülls, wie er sich ausdrückte, Rache und ewige Feindschaft.
Nachdem wir dann alle heil ins Hotel zurückgekehrt waren, versuchte der Götzi, wie ich's erwartet hatte, die Lydia, die Babsi und mich noch in die Hotelbar einzuladen, hatte aber diesmal wieder keinen Erfolg damit, denn die Babsi klagte über Kopfweh, und die Lydia klagte zwar nicht, sagte aber, sie wolle die arme Babsi nicht allein lassen, und überhaupt müßten sie ja noch die Koffer packen, und der Herr Reiseleiter habe ja ausdrücklich angeordnet, man dürfe ja nichts vergessen und müsse die Koffer, wohlgepackt, morgen schon vor dem Frühstück vor die Zimmertür stellen; und dabei lächelte sie mich schalkhaft an, und mir, ich sag's euch ehrlich, wurde dabei richtig warm ums Herz.
Mir wurde warm ums Herz, aber der Götzi wirkte, nachdem wir uns von den beiden Hübschen verabschiedet und ihnen gute Nacht gewünscht hatten, beinahe gebrochen. Während wir zu unserem Zimmer trotteten, fiel mir ein, daß er ja schon vorher, nämlich vor dem Abendessen, was auf dem Herzen gehabt hatte; ich hatte nur keine Zeit gehabt, mir seine Sorgen anzuhören. Also was war's denn? Nun, er wartete mit der Antwort, bis wir das Zimmer erreicht hatten. Aber kaum hatten wir die Tür hinter uns zugemacht, da ging's auch schon los. Seine Sorgen hatten alle nur einen Namen: Lydia. Ständig habe er das Gefühl, als sei er ihr gleichgültig, ja, als zeige sie ihm die kalte Schulter. Naja, ich widersprach ihm dabei natürlich sehr heftig, versicherte ihm, davon, daß sie ihm die kalte Schulter zeige, könne überhaupt keine Rede sein, und schließlich hielt ich ihm einen richtiggehenden Vortrag zum Thema: eine Frau will erobert werden, und wenn sie gleichgültig tue, so sei das häufig nur gespielt. Dabei verstieg ich mich sogar zur Behauptung, mit seinem Charme habe er's beim Erobern sogar besonders leicht, leichter als die meisten Männer. Und zum Beweis meiner Behauptungen verwies ich ihn dann an einen seit vielen Jahrhunderten unangefochtenen Experten, nämlich den römischen Dichter Ovid, und zitierte auswendig aus dessen berühmter 'Kunst des Liebens' - diese Verse hatte ich mir nämlich gut gemerkt -:
Prima tuae menti veniat fiducia cunctas
posse capi! Capies, tu modo tende plagas!
und übersetzte sogleich: 'Als erstes sollte in deinen Kopf die Zuversicht hinein, daß alle Frauen erobert werden können! Du wirst sie erobern, spann du nur deine Netze!'
Ja, ja, das sagte ich alles. Aber ob ich dabei übertrieben glaubwürdig klang - ich wüßte es nicht. Ich mußte ja in einem fort daran denken, wie mich die Lydia vorhin süß angelächelt und glühend bewundert hatte und wie sie heute vormittag so gern mit mir zusammen auf dem Kamel geritten wäre und wie sie enttäuscht dreingeschaut hatte, als ich ihr einen Korb gab, und an noch manche anderen kleinen Vorfälle der letzten drei Tage. Und da redete ich dem guten Götzi zu wie einem kranken Kind, ja nicht lockerzulassen und sie ja zu erobern und sie mir ja ... ja, was denn eigentlich? ... na, mir wegzuschnappen natürlich! Und ich verstand mich selber nicht mehr, wie ich ihm da über die Kunst der Liebe vordozierte und aus Ovids 'Kunst des Liebens' vorzitierte und vorübersetzte. 'Gespaltenes Bewußtsein' nennt man sowas, glaub' ich, nicht wahr? Aber es kam noch besser. Der Götzi erinnerte mich nämlich anschließend unabsichtlich daran, daß ich zur Zeit ja sogar gespaltene Gefühle hatte, wenn ich das so nennen darf. Er meinte nämlich, ja, ich hätte gut reden, wo ich doch die Myriam hätte. Es sei ihm keineswegs verborgen geblieben, wie ich auf sie stehe, und auch nicht, wie sie auf mich stehe. Wie bitte? erwiderte ich reichlich überrascht. Wie sie auf mich stehe? Na klar, ob mir denn das nicht aufgefallen sei. Nein, das sei mir eigentlich nicht aufgefallen. Oder, fragte ich mich im stillen selber, ist es mir aufgefallen? Und er schwur Stein und Bein und außerdem, weil wir ja in Ägypten waren, noch beim Barte des
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