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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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Wien zurückfliegen sollten. Unser Programm - ich hab's ja noch gar nie erwähnt - sah also folgendermaßen aus: Samstag bis Montag: Aufenthalt in Kairo - das haben wir jetzt schon hinter uns -; Dienstag: Fahrt von Kairo nach Süden bis zur Stadt El-Minja; Mittwoch: Fortsetzung der Fahrt das Niltal aufwärts bis Luxor; Donnerstag und Freitag: Aufenthalt in Luxor und Besichtigung der Überreste von Theben; Samstag: am Vormittag Weiterfahrt den Nil entlang bis Assuan und am Nachmittag (fakultativ) Flug nach Abu Simbel und wieder zurück; Sonntag: Besichtigungen in Assuan und Umgebung und in der Nacht zum Montag Direktflug nach Wien.“
    „Na, ein ganz schönes Programm, kommt mir vor!“ wirft die Henne ein.
    „Ja, wenn es so durchgeführt worden wäre!“
    „Soll das heißen ...“
    Doch Giggerle winkt nur ab: „Nur Geduld! Ich will meinem Bericht nicht vorgreifen! Wo war ich denn stehengeblieben? Ach ja: bei der endgültigen Abfahrt aus Kairo. Wie sich's gehörte, erwiesen wir den Pyramiden noch ein allerletztes Mal unsere Reverenz, soll heißen: wir fuhren ein allerletztes Mal an ihnen vorbei, fuhren auch an dem Aussichtspunkt vorbei, von dem aus wir am Vortag die Pyramiden in der Abendsonne bewundert hatten - die Kameltreiber, die für einen malerischen Vordergrund und zugleich für unsere Unterhaltung - sprich: für unsere Aufregung - gesorgt hatten, schliefen offenbar noch -, und gleich dahinter durchfuhren wir eine riesige Baustelle. Was wird denn hier gebaut? Unsere Myriam griff nach dem Mikrophon und beantwortete unsere Frage: eine Autobahn. Was? Hier, gleich neben den Pyramiden, eine Autobahn? Ja, eine Autobahn, die demnächst um ganz Kairo herumführen soll. Ja, wie kann man denn nur ...? Ja, leider, diese Autobahn wird trotz größter Widerstände gebaut; sogar unser Kulturminister bezeichnet sie als Verbrechen gegen Ägypten, und das ist sie zweifellos. Ja, aber wirklich! Ich war fassungslos, und das waren vermutlich auch alle anderen im Bus.
    Und so fuhren wir nun immer weiter in die Wüste hinein, und das war sicher für alle ein großes Erlebnis: stundenlang dahinzufahren und ständig bis zum Horizont nichts anderes zu sehen als eine leicht hügelige Landschaft, die ausschließlich aus Sand und Kies besteht - kein Baum, kein Strauch, nicht einmal ein einziger verhungerter Grashalm.“
    „He - ich versteh' das nicht!“ wirft Johnny ein. „Du hast doch gerade ausdrücklich erklärt, daß eure Busreise nilaufwärts führte. Wieso führt sie jetzt auf einmal in die Wüste? Hat sich euer Machmut verfahren, und ist das vielleicht diese Abweichung vom Programm, von der du gerade andeutungsweise gesprochen hast?“
    Da lacht Giggerle und sagt: „Nein, nein, diese Fahrt durch die Wüste war durchaus programmgemäß. Von Kairo aus führen nämlich anfänglich zwei Straßen in den Süden, die eine klarerweise durchs Niltal, die andere, die wir genommen hatten, ein langes Stück durch die Wüste und dann durch das Faijum. Das Faijum ist eine große Oase, die größte außerhalb des Niltals, das ja seinerseits eigentlich auch nichts anderes ist als eine riesige Oase. Ja, und diese zweite Straße durchquert das ganze Faijum und vereinigt sich erst dann mit der Nilstraße. Unsere Myriam erklärte uns das alles ganz genau: ursprünglich war die gesamte Senke des Faijum ein einziger See, der durch einen sich vom Nil abspaltenden Fluß gespeist wurde. Dieser See trocknete aber immer mehr aus, so daß heute nur noch der nordwestliche Randstreifen der Senke von einem See bedeckt wird. Das Faijum war und ist die fruchtbarste Region ganz Ägyptens. Seine Blütezeit war die griechische Epoche seit Alexander dem Großen. Damals wurde durch die Anlegung von Bewässerungskanälen Neuland in Hülle und Fülle gewonnen, und dieses wurde an griechische und mazedonische Veteranen verteilt, so daß das Faijum zu einem vorwiegend griechischsprachigen Landstrich wurde. Daher ist es von geradezu unschätzbarer Bedeutung für unsere Kenntnis der griechisch-römischen Welt, denn hier kam und kommt immer noch eine unerschöpfliche Fülle griechischer Papyri ans Tageslicht. Was übrigens diese Papyri, unter vielem anderen, erkennen lassen, ist die für uns Christen und Moslems höchst erstaunliche Tatsache, daß die Einwanderer aus Griechenland und Mazedonien zwar durchaus auch ihre eigenen Götter verehrten, es aber in keiner Weise verschmähten, genauso die ägyptischen Götter zu verehren; ja, im Gegenteil, am meisten wurde,

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