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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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damit bekunden, daß er der Herr im Hause ist, indem er seine Frau wie eine Sklavin hält. Er hat das uneingeschränkte Recht, sie zu schlagen, sie zu mißhandeln und sie auf jede Weise zu beleidigen. Er hat das uneingeschränkte Recht, ihr die Berufstätigkeit zu verbieten, ihr das Reisen zu verbieten, ihr sogar das Verlassen des Hauses zu verbieten. Es gibt heutzutage in Ägypten schon viele Frauen, die im Berufsleben stehen - aber zugleich bleiben sie, falls sie verheiratet sind, ganz und gar in der Gewalt ihres Ehemannes, der ein solches Arbeitsverhältnis erst erlauben muß, und keine Frau wird sich über den ungeschriebenen Moralkodex hinwegsetzen und sich etwa außerdienstlich mit einem Kollegen unterhalten oder gar in ihrer Wohnung männlichen Besuch empfangen - außer in Anwesenheit eines männlichen Familienangehörigen.
    Der Mann hat ferner das uneingeschränkte Recht, die Scheidung auszusprechen. Und das geht außerordentlich leicht; er braucht nur die Formel auszusprechen: 'Wir sind dreimal geschieden', oder, neuerdings, nach einer neuen Gesetzesbestimmung, dreimal hintereinander, und ohne dabei abzusetzen oder Luft zu holen, zu seiner Frau zu sagen: 'Wir sind geschieden.' Das gilt dann bereits als Scheidung, denn ein Ehemann hat das Recht, seine Frau dreimal zu verstoßen, ehe die Scheidung wirksam wird.
    Dazu muß man wissen, welches Schicksal eine geschiedene Frau erwartet: sie kann entweder zu ihren Eltern zurückkehren; doch bei denen ist sie in aller Regel absolut unerwünscht und wird zur dauernden Belastung; es besteht ja kaum noch Hoffnung, sie erneut zu verehelichen. Oder sie muß sich unter schwierigsten Bedingungen allein durchschlagen. Und dabei droht ihr vollends die moralische und wirtschaftliche Entwurzelung: alle werden sie meiden, denn eine geschiedene Frau wird von der Gesellschaft nicht akzeptiert und muß in Schande leben. Sie muß mit den meist recht kümmerlichen Unterhaltszahlungen ihres Exmannes auskommen, weil sie normalerweise keinen Beruf und keine ausreichenden Einkommensquellen besitzt. Oft genug erhält sie von ihm überhaupt nichts; ihm wird es nicht schwerfallen, die gesetzlichen Bestimmungen auf die eine oder andere Weise zu umgehen, denn das Gesetz selbst ist in dieser Hinsicht so mangelhaft und männerfreundlich, daß ein Ehemann geradezu ermuntert wird, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen.
    Die geschiedene Frau ist dann plötzlich völlig mittellos, und niemand kümmert sich um ihr Schicksal. Und findet sie dann keine Arbeit, so endet sie nur allzu häufig auf der Straße; sie wird lernen müssen, entweder zu stehlen oder ihren Körper zu verkaufen. Und in beiden Fällen riskiert sie, im Gefängnis zu landen. Denn nach dem Gesetz wird zwar nicht der Mann bestraft, der zu einer Prostituierten geht, sehr wohl aber die Prostituierte selbst. Und auch wenn sie nicht auf der Straße endet und nicht Hunger leiden muß - sie leidet auf jeden Fall unter den ständigen Anfeindungen durch ihre lieben Mitmenschen.
    In aller Regel lassen sich daher die Frauen, ohne zu klagen oder gar sich aufzulehnen, von ihrem Ehemann jegliche Behandlung gefallen. In Oberägypten steht eine Frau nicht selten der zweiten, dritten oder vierten Ehefrau ihres Mannes wie eine Dienstmagd zur Verfügung. Ein Moslem darf ja bis zu vier Ehefrauen haben. Manchmal bemüht sie sich sogar selbst darum, für ihren Mann eine neue Frau zu finden, um ihn bei Laune zu halten, die Grausamkeiten, unter denen sie zu leiden hat, zu mildern oder, falls sie zu ihrem Unglück nur Töchter zur Welt gebracht hat, ihm die Chance zu bieten, von der neuen Frau doch noch einen Sohn zu bekommen. Denn ganz besonders hart ist das Schicksal einer Frau, die keinen Sohn geboren hat.
    Nun setzte sich Myriam wieder zu mir, schenkte mir ein zartes Lächeln und fuhr, da es hinter uns mucksmäuschenstill war, nach kurzer Pause fort:
    Überflüssig zu erwähnen, daß ein Mann vollkommene sexuelle Freiheit genießt, während für eine Frau die Ehe der einzig mögliche Ort ist, wo sie sexuelle Beziehungen haben kann. Schon voreheliche Beziehungen sind ihr strengstens verboten. Läßt sich ein Mädchen aber, gleichgültig, ob freiwillig oder unfreiwillig, mit einem Mann ein und wird diese sogenannte Verfehlung ruchbar, so ist die Ehre der gesamten Familie verloren, und um die Familienehre zu retten oder wiederherzustellen, gibt es nur zwei Mittel: entweder der betreffende Mann heiratet das Mädchen, oder - falls das nicht geht, weil es

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