Geliebte Rebellin
Wunden verheilt waren. Sie wusste jedoch, dass es ihr niemals möglich sein würde, Baxter mit seinen hellen Alchemistenaugen zu vergessen, gleichgültig, wie viele neue Kundinnen sie auch annahm oder wie viele interessante Erkundigungen sie über die Hintergründe der jeweiligen Gentlemen einzog. Es würde niemals einen zweiten Baxter geben.
Rosalind sah sie nachdenklich an. »Da wir gerade über diese Dinge sprechen, habe ich das Gefühl, ich sollte Ihnen sagen, dass ich Ihnen ebenso dankbar bin wie Sie mir.«
»Falls Sie von meinen Nachforschungen sprechen sollten, kann ich Ihnen versichern, dass ich mich aus eigenem Antrieb und um meiner selbst willen darauf eingelassen habe.«
»Ich habe nicht von den Ermittlungen in dem Mordfall gesprochen.« Rosalind ließ ihren Fächer zuschnappen. »Ich kann es ebenso gut rundheraus sagen. Ich mache mir bereits Sorgen um Baxter, seit seiner Rückkehr aus Italien vor drei Jahren. Er ist auch vorher schon immer viel zu ernst für sein Alter gewesen. Sogar als Kind hat er bereits in einem zermürbenden Maß Selbstbeherrschung und Zurückhaltung besessen, und er hat immer eine gewisse Distanz zwischen sich und den anderen bewahrt.«
»Als beobachtete und vermäße er sein Gegenüber in derselben Weise, in der er eines seiner chemischen Experimente analysiert?«
»Ja, allerdings.« Rosalind schüttelte den Kopf. »Das kann zeitweilig recht beunruhigend sein. Aber nach diesem grässlichen Unfall in Italien hat er sich vollständig aus der Gesellschaft zurückgezogen. Er ist so gut wie gar nicht mehr aus dieser Höhle aufgetaucht, die er sein Laboratorium nennt. Ich hatte schon befürchtet, er sei dabei, einen ausgeprägten Hang zur Melancholie zu entwickeln.«
»Melancholie?«
»Sie liegt ihm im Blut, verstehen Sie. Die Melancholie zählt zu seinen Erbanlagen.«
Charlotte runzelte die Stirn. »Das war mir bisher nicht bekannt. Jeder erzählt mir, seine Eltern seien ein unerhört charmantes und aufregendes Paar gewesen, das ständig für Gesprächsstoff gesorgt hat. Ich hatte mir vorgestellt, seine Eltern seien beide unglaublich lebhaft und temperamentvoll gewesen.«
»Ab und zu waren sie etwas zu lebhaft«, sagte Rosalind mit ruhiger Stimme. »Für derart heftige Leidenschaften muss man einen Preis bezahlen. Und ich rede nicht von dem Schaden, den die beiden ihrem Ruf zugefügt haben.«
»Ich verstehe. Ich habe schon öfter die Beobachtung gemacht, dass Menschen, die zu heftigen Leidenschaften neigen, meist eine Veranlagung besitzen, die eine finstere und eine strahlende Seite hat. Es ist ganz so, als sei die Natur bestrebt gewesen, eine Art Ausgleich für ihre jeweiligen Stimmungen zu schaffen, und dabei ins Extrem geraten.«
»Das haben Sie sehr gut beobachtet, meine Liebe. Genauso hat es sich mit Baxters Eltern verhalten. Esherton hat trotz seines Intellekts und seiner Lebensfreude eine gefährliche Veranlagung und einen Hang zu großem Leichtsinn besessen. Es ist ein Wunder, dass er lange genug gelebt hat, um sich eines hohen Alters zu erfreuen. Was meine Schwester angeht . . .«
»Was ist mit ihr?« hakte Charlotte nach.
»Sie war wunderschön, intelligent und ungeheuer überschäumend - die meiste Zeit. Sie hat ihre Unabhängigkeit und ihre Exzentrik in vollem Maß ausgekostet. Jeder, der sie gekannt hat, war betört von ihr, selbst dann, wenn ihr Benehmen einfach unerhört war. Nur ihre Angehörigen und ihre intimsten Freunde wussten, dass sie gelegentlich in die Tiefen der Melancholie versunken ist.«
»Mir scheint es ganz so, als sei Baxter aus blanker Notwendigkeit heraus Alchemist geworden«, sagte Charlotte.
»Alchemist? Was, um Himmels willen, wollen Sie damit sagen?«
»Ich glaube, er sieht sich als das Produkt einer Verbindung von außerordentlich verdampfbaren Chemikalien. Er hatte schon von klein an das Gefühl, ihm bliebe gar keine andere Wahl, als möglichst früh zu lernen, wie man das Feuer in Schach hält, das gefährliche Explosionen verursachen kann.«
Rosalind zog die Augenbrauen hoch. »Eine interessante Analogie. Aber was ich sagen wollte, meine Liebe, ist, dass ich Sie für das Beste halte, was Baxter seit Jahren zugestoßen ist.«
Charlotte war derart verblüfft, dass sie ihr Glas beinah fallen ließ. »Lady Trengloss, es ist sehr nett, dass Sie das sagen, aber gewiss gehen Sie in Ihren Behauptungen zu weit.«
»Was ich sage, entspricht rundum der Wahrheit. Sie scheinen ihn zu verstehen, und Sie gehen auf eine Art mit ihm um, die
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